Rugby: Meisterkür in der Hauptstadt

Zwei Badener in Berlin

Großes Bild: Wissen, wie es sich im Stadion Buschallee feiert - die Spieler des amtierenden Meisters TV Pforzheim nach dem Sieg im Halbfinale gegen RK 03 Berlin vor 14 Tagen

Im Endspiel um die Deutsche Rugby-Meisterschaft stehen erneut die Teams aus Heidelberg und Pforzheim. Berlin mit seinem Vertreter RK 03 bleibt die Rolle des Ausrichters.

Der Eingang ist zunächst gar nicht so leicht zu finden – zwar prangt an dem Zaun zur Hansastraße in großen Lettern „Stadion Buschallee“, Zutritt zur Sportanlage in Berlin-Weißensee verschafft man sich allerdings nur durch ein unscheinbares Portal. Es ist der Samstag vor 14 Tagen, und es findet das Halbfinalspiel um die Deutsche Rugby-Meisterschaft zwischen dem RK 03 Berlin und dem TV Pforzheim statt. Auf dem weitläufigen Gelände, das etwa 25 Minuten Fahrzeit mit der Straßenbahn vom Alexanderplatz liegt und auch Fußballplätze, Tennisfelder und Leichtathletikanlagen beherbergt, befindet sich die sportliche Heimat des Rugby Klubs 03 Berlin.

Stadion Buschallee - Kleines Schmuckstück aus Eigeninitiative

Aus ganz viel Eigeninitiative und -finanzierung sowie Mitteln aus Crowdfunding-Kampagnen haben Verantwortliche und Mitglieder hier aus ehemaligen Ascheplätzen ein kleines Stadion mit Rasenfeld entstehen lassen. Wegen der notorisch knappen Berliner Mittel wollte beziehungsweise konnte die Politik bislang nichts zu der Sanierung beitragen. Neueste Errungenschaft ist die aus drei großen Traversen bestehende Stehtribüne auf der einen Seite des gepflegten Rugbyspielfeldes, die immerhin etwa 2.000 Besuchern Platz bieten soll. Ende April erst wurde sie eingeweiht, dadurch verfügt die Anlage inzwischen über Topbedingungen im Bereich Rugby in Deutschland.


Endspiel um die Deutsche Rugby-Meisterschaft 2016/17:

Heidelberger RK - TV Pforzheim

Antritt: Samstag, 24. Juni, 15 Uhr

Stadion Buschallee (Hansastraße, Berlin-Weißensee)


Stolz ist man beim RK 03 Berlin auf das Ergebnis aller Bemühungen – zu Recht. Der Deutsche Rugby-Verband erkannte die gute Arbeit mit der Ausrichtung des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft in diesem Jahr an. Der Traum vom Finale auf eigenem Platz blieb dem Tabellenersten der Bundesliga Gruppe Nord/Ost allerdings verwehrt. Der Favorit aus Pforzheim setzte sich nach starker Leistung im zweiten Durchgang vor rund 900 Besuchern deutlich mit 52:15 durch.

Würdiger Endspielort: das Stadion Buschallee in Weißensee

Die Endspiele um die deutsche Rugby-Krone sorgten, was ihre Teilnehmer angeht, zuletzt nur für wenig Überraschungen. Der Heidelberger RK steht zum neunten Mal in Folge im Endspiel, die Pforzheimer fehlten nur einmal in den vergangenen sechs Jahren. Der Erfolg der beiden aktuellen Platzhirsche im deutschen Rugbysport ist dabei schnell erklärt – sie sind die einzigen Teams, die unter Profibedingungen arbeiten können.

HRK: "Rugby-Adel" mit Profibedingungen

Der Heidelberger RK profitiert dabei vom finanziellen Engagement des Milliardärs Hans-Peter Wild („Capri-Sonne“), der gleichzeitig auch als Förderer des Rugby-Nationalteams auftritt. Der HRK und die Bundesauswahl laufen mit dem gleichen Trikotsponsor auf – kein Wunder also, dass das Liga-Team aus der Studentenstadt mit zahlreichen Nationalspielern gespickt ist. Der Geldgeber betreibt dazu mit der nach ihm benannten „Wild Rugby Academy“ das bis dato einzige Leistungszentrum Deutschlands – natürlich in Heidelberg.

Für gut ausgebildeten Nachwuchs beim ältesten Rugby-Verein Deutschlands ist damit gesorgt. Die Initialen „RK“ stehen dabei allerdings für den Ruder-Klub, der 1872 gegründet wurde. Die Rugby-Sparte wurde später aus der Taufe gehoben – der Geschichte nach suchte man eine körperliche Ertüchtigung für die Winterzeit, in der das Rudern nicht stattfinden konnte.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts übten viele Aktive noch beide Sportarten parallel aus, mit Einrichtung des Rugby-Standortes im Stadtteil Kirchheim 1960 startete der Heidelberger RK Rugby aber mehr und mehr ein Eigenleben. Und was für eins: gerade die letzten erfolgreichen Jahre machten die Blau-Weißen zum deutschen Rekordmeister seit Einführung der Bundesliga 1971 – neun Mal wanderte die Trophäe seither an den Neckar.

Lange hatten sich die Clubs aus den Hochburgen Heidelberg und Hannover dabei die Meisterschaften geteilt – von 44 Bundesligatiteln gingen nur zwei nach „außerhalb“: 2008 und 2009 siegte der SC 1880 Frankfurt. Ausgerechnet in Hannover – dem Sitz des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) – schien man die Zeichen der Zeit zuletzt aber nicht erkannt zu haben: Seit über zehn Jahren nahm kein Team aus der niedersächsischen Landeshauptstadt mehr an einem Endspiel teil.

TV Pforzheim: Emporkömmling mit ersten Erfolgen

Der Schwerpunkt des deutschen Vereinsrugbys verlagerte sich (noch) mehr in den Südwesten der Republik. Die Domäne des Heidelberger RK mit sechs Titeln in Folge durchbrach dann im vergangenen Jahr der TV Pforzheim.Der 1834 gegründete Turnverein ist zwar der älteste seiner Art in Baden, die eigene Rugbyabteilung existiert aber erst seit 2008 – zuvor hatte man mit dem Karlsruher SV eine Spielgemeinschaft gebildet.

Der Aufstieg aus der drittklassigen Regionalliga Baden-Württemberg gelang schnell, 2011 schaffte der TVP bereits den Sprung in die Bundesliga und brachte sich gleich als Herausforderer Nr. 1 des Heidelberger RK in Position. Vergangenes Jahr klappte es dann tatsächlich: Im vierten Finalanlauf blieben die Pforzheimer nach einer dramatischen Schlussphase mit 41:36 erstmals siegreich gegen den HRK. Auch bei den „Rhinos“ – wie sich das Team nach dem Symbol der Rugbyabteilung, einem Nashorn, nennt – wird professionell gearbeitet.

Der Verein ist allerdings eine Art Gegenentwurf zum Kontrahenten aus Heidelberg. Stellt der TV Pforzheim zwar das zweitgrößte Kontingent an Nationalspielern, so ist dieser Anteil allerdings wesentlich kleiner als der des Heidelberger RK. Für die Verantwortlichen des TVP kein Problem – das offenbar potente Sponsoring in der „Goldstadt“ ermöglicht einen Kader, in dem Rugby-Spieler aus vielen Nationen das Gros ausmachen.

Diese Strategie trägt nun vergleichsweise flugs Früchte: Nach dem ersten Meistertitel 2016 konnte man im April gegen Frankfurt auch den Premierensieg im deutschen Pokalwettbewerb feiern. Allerdings verlief die Rückserie in der Staffel Süd/West nicht ganz nach den Vorstellungen der sportlichen Leitung. Man musste dem HRK den Vortritt lassen, der im Halbfinale den Nord/Ost-Zweiten Germania List (Hannover) mit 69:10 zerlegte.

 RK 03 wird ein würdiger Gastgeber

Doch für den RK 03 Berlin waren auch die Pforzheimer eine Nummer zu groß. Fans und Verantwortliche nahmen die Niederlage im Stadion Buschallee anschließend gelassen. Man erklärte sich angesichts der finanziellen Möglichkeiten der beiden Topteams mit einem Augenzwinkern einfach zum „Deutschen Amateurmeister“. Vorerst muss man sich in Weißensee also noch damit begnügen, dem Lokalrivalen BRC aus dem Berliner Westen vorerst den Rang als Nummer eins an der Spree abgelaufen zu haben.

Wer aber glaubt, dass sich Mitglieder und Helfer der Schwarz-Gelben wegen der verpassten Teilnahme am Endspiel als Ausrichter nun hängen lassen könnten, kennt die "RK-03-Familie" schlecht: In Sachen Organisieren und Anpacken – aber auch beim Feiern – hat die nämlich schon vor 14 Tagen einen ganz langen Atem bewiesen.

Beitrag+Fotos: Berlinsport Aktuell/Hagen Nickelé