Tennis: Davis-Cup-Relegation an der Hundekehle

Vorteil: Berlin

Während sich die Hauptstadt über die Ausrichtung des Davis-Cup-Relegationsspiels gegen Polen freut, drohen Team-interne Querelen einen Schatten auf die Veranstaltung zu werfen

tennisplatz-2-q-kopieBoris Becker und Michael Stich waren damals beide mit von der Partie. Als Gegner auf dem Platz und auch jenseits davon mögen sich die beiden Tennis-Asse zwar nicht sonderlich grün gewesen sein - doch wenn der Davis-Cup auf dem Programm stand, traten beide für das deutsche Team an. So gehörten sie gemeinsam mit Eric Jelen auch dazu, als im Jahr 1991 das Heimspiel gegen Argentinien in Berlin ausgetragen wurde.

Es sollte der bislang letzte Auftritt eines deutschen Davis-Cup-Teams in der Hauptstadt bleiben. Ganze 25 Jahre zogen ins Land, bis der deutsche Tennis-Tross im Rahmen dieses Wettbewerbs, der so etwas wie die inoffizielle Mannschaftsweltmeisterschaft in dieser Sportart darstellt, an diesem Wochenende wieder Halt macht an der Spree.

Diese Tatsache erscheint verblüffend, hat aber vor allem einen handfesten Hintergrund: es fehlte an geeigneten Hallen in Berlin. "Wir mussten warten, dass alles so im Kalender passt, dass wir draußen spielen können", benennt Ulrich Klaus, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) die Ursache dafür, weshalb das deutsche Davis-Cup-Team dort so lange durch Abwesenheit glänzte. Nun also hat alles zusammengepasst: das Relegationsspiel gegen Polen um den Verbleib in der Weltgruppe geht ab dem heutigen Freitag im ehrwürdigen Steffi-Graf-Stadion über die Bühne.

Früher: Großes Tennis an der Spree
Beim letzten Gastspiel 1991, als Argentinien im Viertelfinale mit 5:0 vom Platz gefegt wurde, war man noch unter das Dach gezogen. Austragungsort war die Deutschlandhalle - doch die ist inzwischen Geschichte, denn sie wurde bekanntlich abgerissen. Geschichte ist mittlerweile auch der Erfolg, den der deutsche Tennissport seinerzeit im Davis-Cup hatte. Mit dem legendären Nikola Pilić auf der Trainerbank gewann Deutschland den Titel 1988, 1989 und 1993.

Seither ist es in verschiedener Hinsicht ruhiger geworden: sei es um große Stars im deutschen Tennis oder Erfolge für das Nationalteam im Davis-Cup, aber auch Berlin als Austragungsort großer Tennisevents. Zwischen 1979 und 2008 fand auf der Anlage des LTTC Rot-Weiß im Ortsteil Grunewald mit dem Damen-Tennisturnier immerhin eine Veranstaltung statt, die hinter den Grand-Slam-Turnieren zu einem Ereignis von Weltrang wurde.

Namhafte Spielerinnen standen hier im Finale: angefangen bei Chris Evert, Martina Navrátilová oder Gabriela Sabatini über Monica Seles oder Martina Hingis bis hin zu den Williams-Schwestern Serena und Venus. Und Ana Ivanović, die heutige Ehefrau von Fußballer Bastian Schweinsteiger, konnte sich bei der vorletzten Austragung 2007 sogar noch in die Siegerliste eintragen.

Vor allen anderen aber drückte natürlich Steffi Graf den Internationalen Deutschen Tennismeisterschaften von Berlin – wie die Veranstaltung offiziell hieß – ihren Stempel auf. Ab 1986 dominierte sie ein Jahrzehnt das Turnier: bei neun von elf Teilnahmen blieb die „Gräfin“ siegreich. Kein Wunder also, dass die 1996 um den Centre Court erbaute Tennisarena im September 2004 den Namen „Steffi-Graf-Stadion“ erhielt. Doch mit dem sportlichen Abschied der erfolgreichsten deutschen Tennisspielerin aller Zeiten ließ auch das Zuschauerinteresse an der Veranstaltung nach.

Nach mehreren defizitären Austragungen gab der DTB im Jahr 2005 die Rolle des Veranstalters an die Qatar Tennis Federation ab. Doch auch in der neuen Konstellation war der Wettbewerb nicht mehr zu retten: Berlin verlor nach knapp drei Jahrzehnten sein attraktivstes Tennisevent. Seither ist es auch still geworden um den LTTC Rot-Weiß und seine Sportanlage – obwohl dort z. B. weiterhin ein großes internationales Jugendturnier stattfindet.

Berlin soll wieder Turnierstandort werden
Doch nun soll wieder etwas Größeres entstehen am Hundekehlesee – letzten Sommer etwa traten bei den „Grand Champions“ Ex-Profis wie Michael Stich oder Henri Leconte gegen hoffnungsvolle Nachwuchstalente an. Anlässlich der European Maccabi Games gab es viel Lob für den Verein aus dem Grunewald, der das Tennisturnier im Rahmen des internationalen jüdischen Sportfests ausrichtete.

Nun sieht man sich bei Rot-Weiß auch gut gerüstet für das Davis-Cup-Spiel gegen Polen. „Wir haben lange dafür gekämpft, diese Partie auszutragen“, erklärte Markus Zoecke schon kurz nach Bekanntgabe des Austragungsorts Berlin. Der Sportdirektor des „Lawn-Tennis-Turnier-Club 1897“ bringt für seinen Job zwei wichtige Komponenten mit: als gebürtiger Berliner hat er in diesem Verein das Tennisspiel gelernt – und wurde später Profi. Keiner der ganz Großen, aber als Kämpfertyp in Erinnerung.

Dazu hat er selbst Davis-Cup-Erfahrung, wenn auch vornehmlich als Ersatzmann. Im Erstrundenspiel in Brasilien 1992 ersetzte er damals den angeschlagenen Boris Becker und lieferte sich im entscheidenden Match gegen Lokalmatador Jaime Oncins vor fanatischem Publikum einen epischen Kampf – den Zoecke allerdings nach knapp fünfeinhalb Stunden Spielzeit verlor.

Heute kämpft der 48-Jährige um Sponsoren, die die Rückkehr eines jährlichen Tennisturniers in der Hauptstadt ermöglichen sollen. Aus der Berliner Politik hat es diesbezüglich bereits positive Signale gegeben. Dabei gilt das Davis-Cup-Spiel als eine Art Testballon – sollte die Veranstaltung beim LTTC Rot-Weiß ein Erfolg werden, dürften die letzten Hürden auf dem Weg zum regelmäßigen Event in der Hauptstadt wesentlich einfacher zu bewältigen sein.

Zverev und Brown sagen ab
In einem Punkt aber lag Markus Zoecke daneben: „Seit dem ersten Tag der Bewerbung habe ich das Turnier vor mir gesehen. Wie die Zuschauer hier sitzen und Alexander Zverev spielt - da freue ich mich drauf“, erzählte Zoecke noch im Juli in einem Interview. Doch die neue deutsche Tennishoffnung wird nicht in Berlin antreten – nicht, weil er nicht kann, sondern weil er nicht will.

Der Termin passe an sich nicht in seinen Kalender, dazu falle die Partie auf Sand mitten in die gerade laufende Hartplatzsaison, ließ der 19-Jährige am Rande der US Open verlauten. Was Zoecke nicht für möglich hielt, davon hatte wohl zumindest der Chef des deutschen Davis-Cup-Teams eine Ahnung: Michael Kohlmann, als Aktiver selbst in diesem Wettbewerb am Start, soll unmittelbar vor Zverevs endgültiger Entscheidung jedenfalls nur gedämpft optimistisch gewesen sein.

So steht zu befürchten, dass das sportpolitische Highlight für Berlin durch eine neuerliche Krise auf nationaler Ebene überlagert wird. Denn Zverev hatte in New York auch behauptet, vom Verband habe niemand mit ihm über eine Davis-Cup-Teilnahme geredet. Eine Aussage, der Kohlmann widersprach – wenn auch vorsichtig, um das aktuell größte deutsche Tennistalent wohl nicht für die Zukunft zu vergrätzen.

Für den Team-Chef kam es personell sogar noch dicker: neben Alexander Zverev sagte mit Dustin Brown ein weiterer Spieler für das Berlin-Wochenende ab, der beim letzten Spiel im März (2:3 gegen Tschechien) noch im Kader stand. Der damals als Reserve vorgesehene Brown soll erklärt haben, gerade andere sportliche Ziele zu verfolgen. Aber auch der 31-Jährige präsentierte eine andere Version der Geschichte: nach seiner Verletzung bei den Olympischen Spielen sei er nicht hundertprozentig fit.

Kohlschreiber trotz Verletzung nominiert
Und auch Philipp Kohlschreibers Teilnahme als Nr.1 – neben dem Augsburger wurden noch Florian Mayer, Jan-Lennard Struff und Daniel Brands von Kohlmann berufen - steht unter keinem guten Stern. Der 32-Jährige musste die Olympischen Spiele noch wegen eines Ermüdungsbruchs im Fuß absagen - meldete dann aber für die US-Open, die keine drei Wochen nach Rio begannen. Resultat: Kohlschreiber gab in seiner Erstrundenpartie verletzungsbedingt auf. Der „Kapitän“ des Teams dürfte also mehr als Feuerwehrmann nominiert sein – falls es unerwartet brennen sollte.

Denn die Tennisspieler aus dem Nachbarland gelten in der sportlichen Auseinandersetzung als Außenseiter. Ihre Nr. 1, Jerzy Janowicz, fällt aus – und so ist Kamil Majchrzak als Weltranglisten-305. nominell bester Spieler der polnischen Mannschaft. Die drohenden Querelen beim DTB und die Berichterstattung darüber könnten dem Kontrahenten allerdings ungeahnte Pluspunkte verschaffen.

Sportdirektor Zoecke, der Kämpfer, meldete sich daher vergangene Woche mit einem Kommentar im „Tagesspiegel“ zu Wort. Tenor: man solle die Veranstaltung wegen der Absagen jetzt nicht schlecht reden. Es trete schließlich das beste deutsche Team an, das somit die volle Unterstützung verdient habe. Keine Frage - ein Erfolg in der Partie würde auch einen solchen in den Berliner Bemühungen um einen festen Termin im Turnierkalender wahrscheinlicher machen. Oder anders formuliert: Vorteil LTTC Rot-Weiß – jetzt muss nur noch der Spielball verwandelt werden.

Anmerkung: Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe des FORUM-Magazins vom 16.09. erschienen und deswegen nicht ganz aktuell. Philipp Kohlschreiber z. B. musste in der Zwischenzeit doch verletzungsbedingt absagen. Am gestrigen Eröffnungstag gewannen Jan-Lennard Struff und Florian Mayer ihre Einzel und brachten Deutschland mit 2:0 in Führung. Das Bild zeigt nicht die Anlage des LTTC Rot-Weiß.

Text+Beispielfoto: Hagen Nickelé