Regionalliga Nordost startet in die Spielzeit 2017/18

Nur Energie – oder wie...?

Vorschau zum Saisonstart mit Schwerpunkt auf den Berliner Teams

Es wird ein besonderes Highlight für den FC Energie Cottbus – das Erstrundenspiel im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart am 14. August. Das Aufeinandertreffen weckt schließlich Erinnerungen an die großen Zeiten von Energie. Vor 20 Jahren trafen beide Teams schon einmal im Pokal aufeinander – und zwar im Endspiel.

Die 0:2-Niederlage des krassen Außenseiters aus Cottbus erwies sich nicht als „Beinbruch“ – das erfolgreichste Kapitel der Vereinsgeschichte sollte nämlich gerade erst beginnen. Insgesamt 17 Jahre – davon sechs in der Bundesliga – hielt sich der „Underdog“ in den obersten beiden Ligen. Doch auch dieser Abschnitt ist inzwischen Vergangenheit. Mittlerweile geht der FC Energie in das zweite Jahr der Regionalliga Nordost – vierte Spielklasse, also.

Raus aus der Regionalliga

Ende Juni erst legte der aktuelle Präsident Michael Wahlich offen, dass den Verein Schulden in Höhe von sieben Millionen Euro drücken. Ein immenser Betrag für einen Regionalligisten – da kommen die 10 Prozent Beteiligung aus dem Transfer des ehemaligen Cottbusser U19-Spielers Maximilian Philipp vom SC Freiburg zu Borussia Dortmund gerade recht. Die Einnahme könnte sich demnach auf bis zu zwei Millionen Euro belaufen.

Trotz roter Zahlen geht der FC Energie in der Nordost-Staffel jedoch als Topfavorit in die Saison 2017/18. Schon nach dem Abstieg im vergangenen Jahr hatte man den direkten Wiederaufstieg im Sinn, holte dafür mit „Pele“ Wollitz einen alten Bekannten für die Trainerbank – dort hatte er schon von 2009 bis 2011 gearbeitet.

Das Comeback blieb aber zunächst ohne Krönung, denn Konkurrent FC Carl Zeiss Jena spielte eine herausragende Saison und gab den Cottbussern das Nachsehen. Da die Thüringer auch in der Aufstiegsrelegation bestanden, scheint Energie nun vor Beginn der Saison an diesem Wochenende die ganz große Konkurrenz um Platz 1 zu fehlen.

Vom BAK zu Energie: Maximilian Zimmer

Durch die Zugänge Maximilian Zimmer (von Ligakonkurrent Berliner AK), Andrej Startsev (TSV Havelse) oder Felix Geisler (FSV Zwickau) hat sich der Verein mit jungen, viel versprechenden Spielern verstärkt. Erfahrung besitzt das Team um Ex-Bundesligaprofi Marc Stein (32, früher u. a. Hertha, Rostock) schließlich genug. Vor allem in der Offensive soll 2017/18 noch mehr die Post abgehen – in der Vorbereitung zeigten sich vor allem Fabio Viteritti und Streli Mamba bereits in Trefferlaune. Dazu besitzt man mit dem früheren Chemnitzer Benjamin Förster (27, 13 Saisontore 2016/17) einen zuverlässigen Knipser.

In einem Testspiel bekam Ligarivale FCO Neugersdorf schon mal die ganze Offensivwucht der Wollitz-Elf zu spüren: 1:5 musste sich das Team von Trainer und Energie-Legende Vragel da Silva Mitte Juli geschlagen geben. Ein vermeintlich leichtes Programm in der Englischen Woche zu Beginn (Neustrelitz und Bautzen auswärts, zuhause gegen Aufsteiger Chemie Leipzig) könnte dabei bereits zur Initialzündung für das Projekt Wiederaufstieg in Cottbus werden.

Viktoria 89: Berlins aussichtsreichster Vertreter

Erfolgsduo: Ümit Ergirdi (l.) und Thomas Herbst holten 2014 den Berliner Pokal

Die Prognose, wer dem FCE und Trainer Wollitz im Aufstiegsrennen die Suppe versalzen könnte, fällt dagegen nicht leicht. RB Leipzig hat sein Reserveteam, das letzte Saison hinter Cottbus auf einem starken 3. Platz eingelaufen ist, bekanntlich aufgelöst. Ob es beim Vorjahresvierten FC Viktoria 89 schon für den großen Wurf reicht, scheint fraglich.

Bei den Berlinern wird schon längere Zeit kontinuierlich gut gearbeitet. Vor sechs Jahren spielte der Verein noch zwei Klassen tiefer, hat sich im vierten Jahr in der Regionalliga Nordost inzwischen sogar zu einem Team aus dem oberen Drittel gemausert. Der erfolgreiche Trainer Ersan Parlatan, seit knapp zwei Jahren bei Viktoria, hat sich nun allerdings zwecks Fortbildung zu einer Auszeit entschlossen.

Für ihn kehrt Thomas Herbst auf die Bank am Ostpreußendamm zurück. Der U19-Weltmeister von 1981 und Ex-Bundesligaprofi (u. a. FC Bayern, Gladbach) war bereits zwischen 2010 und 2014 schon einmal Trainer bei den Himmelblauen, kennt die Verhältnisse dort also gut.

Viktorias nimmermüde Offensivabteilung mit Kapitän Ümit Ergirdi (35) und dem ehemaligen Unioner Karim Benyamina (35) ist allerdings auch in die Jahre gekommen, war aber 2016/17 auch immer noch für 25 Tore gut.

Dazu kommt nun ein weiterer Ex-Köpenicker, Daniel Schulz (31, Stuttgarter Kickers), der mit seiner Zweitligaerfahrung den Laden hinten dichter machen soll. Angesichts von 46 Gegentoren hat man sich das Leben in Berlin-Lichterfelde das eine oder andere Mal doch noch selbst zu schwer gemacht.

BAK und BFC: Die großen Unbekannten

Auch ein Blick auf die anderen Berliner Vertreter ist interessant – schließlich schickt die Hauptstadt nunmehr insgesamt fünf Vertreter ins Rennen der Nordost-Abteilung. Das Thema Aufstieg wurde dabei in den letzten Jahren immer wieder auch mit dem Berliner AK in Verbindung gebracht. Die Spielzeit 2015/16, als die Weddinger mit sagenhaften 77 Punkten den Aufstieg gegenüber dem FSV Zwickau nur um ein Tor verpassten, hat jedoch deutliche Wirkung hinterlassen.

Letzte Saison wurden gleich drei Trainer verschlissen, in die aktuelle Spielzeit geht es nun wiederum mit einem neuen Gespann. Dazu hat Präsident Mehmet Ali Han zuletzt ungewohnt offen Resignation erkennen lassen - und an dem Bauunternehmer und Geldgeber hängt viel, wenn nicht alles beim BAK. Han erklärte sich schließlich bereit, mit reduzierten Aufwendungen für seinen Klub weiter im Amt zu bleiben.

Dies führt nun zu einem kleinen Exodus: schon 17 Spieler haben den BAK verlassen – darunter viele mit Qualität. Durch die Verpflichtung von Ozan Pekdemir (25, Viktoria), der es immerhin schon mal bis zum Chemnitzer FC gebracht hat, konnte man immerhin einen spielstarken Mittelfeldspieler für sich gewinnen. Dennoch haben die „Athleten“ wohl eher den rechtzeitigen Sprung in die 3. Liga verpasst. In Anbetracht der Vorzeichen wäre wohl selbst ein 6. Platz wie im Vorjahr schon ein Erfolg.

Auch beim BFC Dynamo darf man sich auf ein Pokalhighlight freuen: kein Geringerer als der FC Schalke 04 gastiert am 14. August im Jahnsportpark. Der Erfolg im Berliner Pokalwettbewerb 2016/17, der dieses Gastspiel erst ermöglichte, war denn auch der Höhepunkt für die Weinroten in der abgelaufenen Saison.

Dabei träumt man auch beim DDR-Rekordmeister von mehr – als letztes Jahr allerdings früh klar wurde, dass es nicht für den großen Wurf reichen würde, legte man das Augenmerk auf den lukrativen Pokal. Der 15. Platz in der Regionalliga Nordost hinterließ am Ende trotzdem einen enttäuschenden Eindruck. Die Frage vor der kommenden Spielzeit lautet nun: kommt Dynamo wieder so an den Start, dass man eventuell ein Wörtchen an der Tabellenspitze mitreden kann?

Vom BFC zu RWE: Kai Pröger

Schaut man auf die aktuellen Zu- und Abgänge beim Club aus Hohenschönhausen, sind Zweifel angebracht. Mit Dennis Srbeny (28 Tore 2015-17, zum SC Paderborn) und „Pokal-Held“ Kai Pröger (16 Tore 2015-17, zu Rot-Weiß Essen), der zum Endspielsieg gegen Viktoria zwei Treffer beisteuerte, verliert Dynamo viel Treffsicherheit. Auch die Abgänge der Mittelfeldspieler Thiago Rockenbach (zu Tennis Borussia) und Sascha Schünemann (zu Viktoria) sind sicher als Verlust zu bewerten.

Mit Solomon Okoronkwo hat sich der BFC dafür zwar einen ehemaligen Bundesligaspieler (Hertha BSC) geangelt - ob der 30-Jährige eine nachhaltige Verstärkung wird, muss sich aber erst noch erweisen. Gleiches gilt für die Babelsberger Matthias Steinborn und Bilal Cubukcu sowie den neuen Mittelstürmer Rufat Dadashov (von ZFC Meuselwitz), die den Aderlass in der Offensive kompensieren sollen.

Alles in allem ein kleiner Umbruch, den BFC-Trainer René Rydlewicz da zu meistern hat und der wohl eher nicht dazu führen wird, dass Dynamo bis zum Schluss ganz vorne mitmischt. Einen „Hänger“ in der Liga zugunsten des Pokals wie vergangene Saison wird man sich allerdings diesmal nicht mehr erlauben können.

Gute Vorzeichen für den Nordost-Meister

Die zwei weiteren Berliner Vertreter, die Talentschmiede Hertha BSC II und der Aufsteiger VSG Altglienicke, verfolgen dagegen andere Ziele. Mit dem Klassenerhalt dürfte man dort zufrieden sein, ein sicherer Mittelfeldplatz ist beiden Teams aber in jedem Fall zuzutrauen.

Abseits der Hauptstadt könnten auch noch Wacker Nordhausen, der 1. FC Lok Leipzig und SV Babelsberg 03 eine gute Rolle spielen. Als ernsthafte Aufstiegsanwärter erscheinen auch sie aber zunächst nicht.

Ganz egal aber, welcher Verein am Ende den 1. Platz erreicht – die Chancen für einen Aufstieg stehen gut. Schließlich haben sich seit ihrer Einführung im Jahr 2012 viermal die Sieger der Regionalliga Nordost anschließend auch in der Relegation durchgesetzt.

Beitrag+Fotos: Berlinsport Aktuell/Hagen Nickelé