Foto: Jubel ohne Grenzen - in der Bundesliga haben die Berliner bisher alle Partien gewinnen können (Quelle: Eckhard Herfet)
Bericht von Jo Lißner
Am 18. Dezember um 14:30 Uhr ist es wieder so weit: Der Klassiker des deutschen Männer-Volleyballs Berlin Recycling Volleys gegen den VfB Friedrichshafen in der Max-Schmeling-Halle. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen: Wo stehen vor dem Sonntag im "Volleyballtempel" die BR Volleys, wo der VfB Friedrichshafen mit seinem neuen Trainer Vital Heynen?
Eigentlich ist den Spielern und Trainern der BR Volleys das ja alles egal. Damals am 16. Oktober hatten sie gegen den Erzrivalen vom Bodensee, den VfB Friedrichshafen, den zum ersten Mal ausgetragenen Supercup verloren. Alle in orangefarbenen Trikots bzw. in den dunklen Anzügen mit BRV-Anstecker spielen die klare 0:3-Niederlage gegen die Mannschaft vom Bodensee tapfer und beinahe glaubhaft herunter als Muster ohne Wert, Pre-Season halt. Aber tief drin wurmt der verlorene Supercup alle bei den Volleys natürlich trotzdem. Zu Null verloren, gegen den ewigen Kontrahenten, den man endlich dauerhaft überwunden glaubte.
Friedrichshafen: Heynen folgt auf Moculescu
Am Bodensee hatte nach dem verlorenen dritten Finalspiel in Berlin eine neue Ära begonnen. Eine ohne Stelian Moculescu, den Übertrainer, der Volleyball am Bodensee mit 13 Meistertiteln und Pokalsiegen so lange geprägt hatte. Doch Moculescu trat zurück und der VfB Friedrichshafen präsentierte mit dem Belgier Vital Heynen einen exzellenten Nachfolger. Gerade noch war er sehr erfolgreich deutscher Bundestrainer gewesen und leitet nun stattdessen und zusätzlich zum Job bei den Häflern das belgische Nationalteam. Zum neuen VfB-Team, das den "Häfler Volleyball" verkörpern soll, sagte Heynen: "Ich liebe diese netten deutschen Spieler, und dazu kommen ein paar verrückte Ausländer."
"Ich liebe diese netten deutschen Spieler, und dazu kommen ein paar verrückte Ausländer." Friedrichshafens Coach Vital Heynen
Stotterstart in der Bundesliga
Neu sind Georg Klein (zuvor Antwerpen), Daniel Maleschau (Herrsching), Armin Mustedanović (Molfetta/ITA), Athanasios Protopsaltis (Narbonne), Tomas Rousseaux (Monza), David Sossenheimer (Bühl), Markus Steuerwald (Paris) und Andreas Takvam (Kielce/POL). Die Helden von früher: Gauna, Geiler, Gontariu, Aciobaniţei - alle weg. Bleiben durften Michal Finger, Jakob Günthör, Simon Tischer, Tomas Kocian und Thilo Späth-Westerholt. Doch so schnell rauften sich die Netten und die Verrückten dann nicht zusammen. Die Häfler verloren gegen Düren, siegten nur im Tiebreak bei Rhein-Main und Herrsching. Düren und Rhein-Main sind in dieser Spielzeit allerdings echte Finalkandidaten. In der Champions-League-Qualifikation schaltete Friedrichshafen dann souverän Innsbruck aus.
Sechs neue Spieler für die BR Volleys
In Berlin waren mit Nikola Kovačević (zuvor Novosibirsk), Steven Marshall (Lüneburg), Aleksandar Okolić (Roter Stern Belgrad), Luke Perry (Friedrichshafen), Wouter ter Maat (Gent) und Graham Vigrass (İzmir) sechs Neue an Bord gekommen. Der ursprünglich verpflichtete Nehemiah Mote verletzte sich vor Saisonbeginn, so dass der Vertrag nicht zustandekam. Geblieben sind: Paul Carroll, Felix Fischer, Tsimafei Zhukouski, Sebastian Kühner, Robert Kromm, Ruben Schott.
Der Bundesliga-Spielplan meinte es gut mit dem Meister, denn die Gegner wurden von Mal zu Mal immer etwas schwerer, das Zusammenspiel der Volleys besser. In neun Spielen konnten nur Düren und Rhein-Main überhaupt einen Satz gewinnen. Das Resultat: Berlin führt die Tabelle überlegen an, fünf Punkte dahinter Rhein-Main, Dritter ist Düren, Friedrichshafen Vierter. Im Pokal war gleich das erste Match der BR Volleys ein Kampf: Gegen Rhein-Main gab es ein 3:1, während Lüneburg und Herrsching danach sicher zu Null bezwungen wurden. Im Finale am 29. Januar in der SAP Arena Mannheim heißt der Gegner wie so häufig: VfB Friedrichshafen.
Starke Vorstellung in der Königsklasse
Die Gruppenphase der Champions League hat gerade erst begonnen. In der Berliner Gruppe spielen noch Resovia Rzeszów, derzeit Dritter der polnischen Liga, die als stärkste Liga der Welt gilt, Lube Volley Civitanova, der aktuelle Tabellenführer der italienischen Liga, die ihre Führungsposition an die Polen abgegeben hat, sowie Qualifikant Dukla Liberec, momentan in Tschechien nur Fünfter. Das Auftaktmatch in die Champions-League-Saison bestritten die Berliner zu Hause, immerhin das, aber gleich gegen den Gruppenfavoriten, ja Hauptkandidaten auf den Champions-League-Sieg Civitanova. Vor diesem Match war dem aus Italien stammenden Trainer der Berliner, Roberto Serniotti, der früher beim Spitzenteam aus Trentino an der Seitenlinie stand, recht mulmig zumute. Er sagte aber auch, dass sich der Charakter eines Teams an den Hürden zeige, die sie überwinden müssen. Und die BR Volleys sind bisher stets an ihren Herausforderungen gewachsen.
"Drei Punkte zum Auftakt vor diesen Fans, was will man mehr? Das war ein ganz großer Sieg des Willens und der Leidenschaft." Volleys-Kapitän Robert Kromm nach dem 3:1 gegen Civitanova
Schon vor vier Jahren gegen Lok Novosibirsk hatte niemand mit dem Berliner 3:1-Erfolg gerechnet. Zumal die Russen danach den Titel holten. Und auch am Nikolaustag präsentierten sich die Berliner in absoluter Topverfassung, gut eingespielt und nervenstark. 4.231 Fans sahen einen ersten Satz, den die Italiener (mit dem Ex-Berliner Denys Kaliberda) dominierten, doch Kromm, Kühner, Marshall, Vigrass, Okolic, Perry sowie vor allem der überragende ter Maat sorgten dafür, dass es noch knapp wurde. Nun stellten sich die Männer in orange immer besser auf den italienischen Zuspieler ein, konnten ein ums andere Mal blocken. Der Star von Civitanova, der eingebürgerte Kubaner Juantorena, wurde fast vollständig neutralisiert. Satz zwei und drei gingen auch dank starker Aufschläge von Kühner an Berlin. In Satz vier drehte Civitanova richtig auf, doch gegen Satzende waren Kühner, ter Maat und auch Okolic Garanten für den Berliner Sensationssieg, den Kühner per Ass besiegelte. Berlin hatte mit starker Annahme, guter Ballverteilung und exzellenten Angriffsschlägen eine der weltbesten Mannschaften verdient 3:1 (21:25, 25:16, 25:18, 26:24) bezwungen. Kapitän Robert Kromm strahlte: "Drei Punkte zum Auftakt vor diesen Fans, was will man mehr? Das war ein ganz großer Sieg des Willens und der Leidenschaft."
Rotation ohne Qualitätsverlust
Die Volleys verfügen über 12 herausragende Spieler und für jeden Gegner kann ein passendes Aufstellungspaket geschnürt werden. Gegen Civitanova hatte Paul Carroll nicht gespielt, am Samstag bei den Netzhoppers KW in Bestensee erzielte er 11 Punkte, nur übertroffen durch Topscorer Graham Vigrass, der auf 14 Punkte kam. Die BR Volleys hatten es recht eilig mit ihrem 3:0 (25:18, 25:22, 25:14). Sie mussten sich schnell in Schale werfen, denn direkt nach dem Match ging es noch zur Ehrung Champions 2016 im Hotel Estrel, um vor 2.400 Gästen die Ehrung für die beste Berliner Sportmannschaft 2016 entgegenzunehmen. Coach Serniotti dazu: "Ich freue mich für die Mannschaft und möchte ausdrücklich betonen, dass auch den Spielern, die jetzt nicht mehr bei uns sind, diese Ehre gebührt".
Vorhersage: Vorteil Volleys
Der Gegner am Sonntag, der VfB Friedrichshafen, zeigte sich ebenfalls nervenstark und kam bei Paris Volley noch von einem 0:2-Satzrückstand zurück und gewann mit 3:2. Weitere, extrem starke Gruppengegner der Häfler sind İzmir und Kazan. Die BR Volleys und der VfB Friedrichshafen sind gerüstet. Die Fans im "Volleyballtempel" Max-Schmeling-Halle können am Sonntag um 14:30 Uhr ein echtes Spitzenspiel erwarten. Prognose: Die BR Volleys siegen 3:1 und machen einen großen Schritt Richtung Heimvorteil in allen BL-Playoff-Serien. In der Champions League erreichen sie die Playoffs zusammen mit Civitanova.