Deutsches Traber Derby: Days of Thunder siegt

Days of Thunder bricht die Oranje-Dominanz

Foto:©Marius Schwarz

Mariendorf, 21. August 2022. (BTV)
(MW) „Berlin, nun freue dich!“ Diese Worte Walter Mompers zur Öffnung des
Brandenburger Tores in Berlin am 22. Dezember 1989 mag manch einer am
Sonntag ab 19.25 Uhr im Hinterkopf gehabt haben, als das Ergebnis des trotto.de
127. Deutschen Traber-Derbys offiziell feststand. Schon als Thorsten Tietz und
Days of Thunder ein paar Minuten zuvor eine Länge vor dem haushohen Favoriten
Usain Lobell durchs Ziel gerauscht waren, kannte der Jubel keine Grenzen.
Zumindest den deutschen Traber-Fans fiel ein Stein vom Herzen. Obwohl die
Berliner immer gern und leidenschaftlich Gastgeber des bedeutendsten Traber-
Meetings der Republik sind, waren sie doch der Dominanz der in den Niederlanden
vorbereiteten, bis 2021 besten dreijährigen Traber müde. Geschlagene zehn Jahre
war es her, dass der in Bayern von Josef Franzl trainierte Dream Magic BE das
Blaue Band in deutschen Landen gehalten hatte. Eine Dekade später und bei einer
weiteren Zäsur des mit 325.226 Euro dotierten wertvollsten Trabrennens, das sich
erstmals in seiner seit 1895 fortgeschriebenen Historie an vierjährige Traber
wendete, ließen die beiden Traber-Deutschland von Süd nach Nord, von Ost nach
West strahlen, hatte doch jede Region ihren mehr oder minder großen Anteil an
diesem Coup.

Den bedeutendsten hatte Bayern. Geboren und groß gezogen wurde der bei
vierfachen Odds zum engsten Favoritenkreis zählende Days of Thunder auf dem
Traditionsgestüt Mutzenhof östlich von München vom Team um Gestütsleiter
Werner Kammermeier unter recht dramatischen Umständen: Der Kleine wollte
anfangs nicht trinken. Geformt vom bayerischen Urgestein Robert Gramüller,
gemanagt von dessen Sohn Marcus. Eine weitere weiß-blau-freistaatliche Note trägt
Johann Holzapfel bei, der als Mitbesitzer nach Dream Magic BE 2012, Tsunami
Diamant 2017 und Wild West Diamant 2020 zum vierten Mal die Honneurs
entgegennahm. Gleich für zwei Regionen ist Thorsten Tietz zuständig: Geboren und
aufgewachsen im Ruhrpott, dort, wo einst das Herz des Trabrennsports am
intensivsten schlug, hat er vor mehr als einem Jahrzehnt seine Zelte in Berlin, ja
sogar in Mariendorf aufgeschlagen und formt seitdem mit viel Erfolg im Umland der
Hauptstadt seine Rösser. Selbst der Norden kommt nicht zu kurz. Der Hamburger
Florian Marcussen, auch er aus einer Traberfamilie stammend, ist seit Jahr und Tag
Teilhaber in diversen Besitzergemeinschaften und hat mit diesem Days of Thunder
das große Los erwischt.

Genugtuung für Tietz

Für Tietz war es eine echte Genugtuung, nachdem er sich vor genau zehn Jahren
erst für 30 Minuten, später, nach dem Urteil des Berliner Amtsgerichts, das durchs
Kammergericht in letzter Instanz wieder gekippt worden war, für ein paar Monate
schon einmal als Derby-Sieger hatte fühlen können. Das Drama um Chapeau 2012
lief gewiss vor des einen oder anderen geistigem Auge ab, und auch bei im Galopp
ihre Chancen aufs Blaue Band versiebenden Cash Hanover (2015) und Days of
Thunder (2021) war Fortuna dem 44-Jährigen abhold. In der ihm eigenen bündigen Art analysierte Tietz nach dem größten Wurf seiner an „big points“ nicht eben armen Karriere, „dass das Rennen für mich völlig anders als gedacht lief. Ich habe Days of Thunder bewusst nicht mit vollem Risiko losgeschickt, weil ich dachte, einige andere würden rasant beginnen. Aber dann war es nur Rob The Bank, der bald von Lorens Flevo abgelöst wurde, ich war plötzlich in der Todesspur, neben mir Usain Lobell, den ich im ersten Bogen unbedingt ein paar
Meter mehr laufen lassen wollte, und als Michael (Nimczyk) dann etwas Tempo
herausnahm, dachte ich: ‚Jetzt kannst du auch ganz nach vorn fahren und Usain
Lobell in jeder Kurve ein paar Meter mehr aufdrücken‘. Vor fünf Wochen im
Buddenbrock-Rennen saß Robin (Bakker) hinter dem an der letzten Ecke mit vollen
Händen und hat uns leicht abgekanzelt. Diesmal sah er nicht so souverän aus. Ich
dachte, ich fahr mal ab, um das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.“

Gesagt, getan - getragen von einer seit Jahren nicht mehr erlebten Woge der
Begeisterung zum Happyend. An der Vorstellung hatte auch „Oberkritikaster“ Robert
Gramüller nichts zu mäkeln: „Thorsten hat‘s brillant gelöst. Er ist ein messerscharfer
Taktiker und Analytiker, der beste, den ich kenne, weiß über die Stärken und
Schwächen jedes Gegners Bescheid.“ Nervös war Tietz vorher nach eigenem
Bekunden nicht: „Es ist mein Job. Ich habe nur zehn Minuten Heat gefahren und
dann das Rennen. Die Grundlagen, dass ich mich heute feiern lassen darf, hat das
Team um Robert in viel Kleinarbeit gelegt. Es mussten alle Rädchen ineinandergreifen, und heute, am Tag X, hat eben alles wie erhofft perfekt gepasst. Sonst hätte es wohl gegen Usain Lobell, den ich dennoch für den Besten des Jahrgangs halte, nicht gereicht.“

Zweite Chance genutzt

Gepasst hat eben auch die Umstellung des Derbys von drei- auf vierjährig, die allen
eine zweite Chance bescherte und die Days of Thunder wie Usain Lobell, die bei der
„Erstauflage“ 2021 früh im Galopp ausgefallen waren, zu nutzen wussten. 154.613
Euro war Platz eins, 77.306 Euro Platz zwei des in allen Ehren unterlegenen Usain
Lobell wert. „Bronze“ ging durch Grand Ready Cash und Dion Tesselaar nach
Holland an die Carpe Diem Stables, die Plätze vier und fünf durch Staccato HL, den
besten der drei von Wolfgang Nimczyk vorbereiteten Aspiranten, und den
„Flüsterfavoriten“ Teatox an Stall Germania und Stall Wieserhof, mithin bayerische
Farben. Dem unterwegs verlockend günstig liegenden Vorjahrssieger Lorens Flevo
misslang die Titelverteidigung als Siebenter hingegen gründlich. Nebenbei
verbesserte Days of Thunder mit Beginn der „Vierjährigen-Ära“ mit 1:12,0 den Derby-
Rekord von Wild West Diamant aus dem Jahr 2020 um eine Zehntelsekunde.

Zur Zusamenfassung aller Sonntagsrennen

Quelle: Berliner Trabrenn-Verein (BTV)