Auf der Überholspur

Die Galopprennbahn Hoppegarten steht vor dem Höhepunkt der Saison. Am Sonnabend (ab 12 Uhr) findet u. a. das Finale im Match Race Cup statt, Sonntag (ab 14 Uhr) geht es dann um den Großen Preis von Berlin. Eigentümer Gerhard Schöningh arbeitet derweil am langfristigen Erfolg der historischen Sportanlage vor den Toren Berlins.

hoppegarten1Der Mann hat Stil, keine Frage: trotz Temperaturen über 30 Grad trägt er Anzug und Krawatte. In dem sandfarbenen Outfit, dazu weißes Hemd und leichter Binder, tritt Gerhard Schöningh bequem und doch elegant bei diesem Sommer-Renntag Ende Juli auf der Galopprennbahn in Hoppegarten auf. Man könnte auch sagen: seiner Galopprennbahn, denn Schöningh ist seit dem Jahr 2008 Eigentümer der traditionsreichen Sportstätte vor den Toren Berlins. Ein Glücksfall für die Anlage wie für den Pferdesportbetrieb nicht nur in Deutschlands Hauptstadt.

Das auf den ersten Blick risikobehaftet erscheinende Modell des Einzelbesitzers hat mit Schöningh nämlich den dafür notwendigen, verlässlichen Partner. Das hat er seit der Übernahme nicht nur durch die Finanzierung der dringend erforderlichen Sanierungsmaßnahmen bewiesen, sondern auch durch den Erwerb der an das Areal angrenzenden Neuenhagener Trainierbahn. Hier entsteht ein modernes Übungszentrum, das einmal erfolgreiche Galopprennpferde hervorbringen soll. Eine Investition in die Zukunft, also.

Seit neustem leitet dazu ein Führungstrio die operativen Geschicke. Zwei Jahre hatte Dietrich von Mutius als Geschäftsführer alleinverantwortlich gearbeitet, nun wird die Führungsspitze breiter aufgestellt. Der anerkannte Pferdesportexperte Ulf-Thomas Kühn wird Rennsportlicher Leiter. Die beiden anderen Positionen des „Managing Director“ bzw. „Commercial Director“ klingen dagegen zwar arg nach moderner Geschäftswelt, sind durch Peter Hoeck Domig und Heiko von Glahn aber ebenso mit Fachleuten auf ihrem Gebiet besetzt worden.

hoppegarten schoeningh 1

Hoppegartens Hausherr: Gerhard Schöningh

Pferderennen am Standort Hoppegarten gibt es schon fast 150 Jahre. Preußenkönig Wilhelm I. und Otto von Bismarck sollen bei der Eröffnung 1868 dabei gewesen sein. Der Pferdesport war zu dieser Zeit noch ein gesellschaftliches Großereignis, Besucherzahlen um die 40.000 in Hoppegarten keine Seltenheit. Nach dem 2. Weltkrieg und der deutschen Teilung verlor die Bahn auch international an Bedeutung. Traditionsreiche Veranstaltungen wie der „Preis der Diana“ (heute in Düsseldorf) oder das „Henckel-Rennen“ (als Mehl-Mülhens-Rennen in Köln) wanderten ab. Nach dem Mauerfall fanden die ersten Wettbewerbe wieder unter großem Interesse in dem Berliner Vorort statt. Die Aufsicht hatte damals noch die Treuhandanstalt. Trotz der Bemühungen, das Publikum z. B. auch mit Kamelrennen nach Hoppegarten zu locken, ging die allgemeine Depression im Pferderennsport auch nicht an diesem Standort spurlos vorbei.

Der traditionsreiche Union-Klub, unter dessen Führung die Bahn bereits gegründet wurde und der nach 1945 im Westteil Deutschlands sein neues Zuhause fand, übernahm wieder die Leitung des Geschehens. Doch selbst eine Finanzspritze von fünf Millionen D-Mark durch das Land Brandenburg um die Jahrtausendwende sollte sich als Tropfen auf den heißen Stein erweisen. Die erforderliche Summe für Instandhaltung und Ausbau stellte sich als weitaus größer dar. Im Jahr 2005 musste der Union-Klub so Insolvenz anmelden, der sportliche Betrieb sollte aber fortgesetzt werden. Der neu gegründete „Rennverein Hoppegarten“ versuchte diese Herkulesaufgabe zu stemmen, doch immer wieder mussten ganze Veranstaltungstage ausfallen. Die Prognosen für den weiteren Bestand der „Rennbahn im Grünen“ fielen düster aus.

In dieser Situation konnte nur noch ein Mann wie Gerhard Schöningh helfen. Einer, der Geld und Begeisterung für die Sache mitbringt. Als Fondsmanager brachte er es in London zu beträchtlichem Wohlstand. Auf der anderen Seite suchte er nach einem neuen Betätigungsfeld - die Begeisterung für den Sport war schon lange vorhanden. In Krefeld, wo Schöningh aufwuchs, gibt es schließlich auch eine Galopprennbahn. Geld verdient hat der Eigentümer der Hoppegartener Anlage mit seinem Engagement bislang noch nicht – im Gegenteil. Längst sieht er aber die Möglichkeiten „seiner“ Pferderennbahn auch noch nicht ausgeschöpft, vor allem im Bereich Werbung und Sponsoring. Die Zahl von rund 7.000 Besuchern am Sommer-Renntag ist als durchaus gut zu bewerten, hat in Schöninghs Augen aber durchaus noch Wachstumspotenzial. Die Vorarbeit in Form von Renovierung zum Teil denkmalgeschützter Gebäudeteile, diversen Gastronomieangeboten und umfangreichem Begleitprogramm wurde schon geleistet. Auch die Tradition, dass Besucher mit Picknickkorb und Decke als Selbstversorger anrücken, wurde bewusst beibehalten.

Gerade, wenn das Wetter stimmt, kommt so etwas wie Kurzurlaubsatmosphäre gepaart mit dem Nervenkitzel der Rennen auf. Die bunte Mischung - von der Societydame mit auffälligem Kopfschmuck auf der Tribüne über die Familien auf den Decken an der Strecke bis zu den Zockern am Totalisator – sorgt für das gewisse Etwas. Man beäugt und amüsiert sich auch übereinander, doch wenn das dumpfe Trommeln der Hufe auf der Naturbahn das Näherkommen des Pulks auf der Zielgeraden ankündigt, richtet sich alle Aufmerksamkeit nur noch auf das packende Renngeschehen.

Erstaunlich ist die Steigerung bei den Zuschauerzahlen in Hoppegarten im Übrigen schon jetzt: seit der Privatisierung 2008 sind sie um beinahe 80 Prozent gestiegen. Auch bei weiteren wichtigen Eckdaten wie Preisgeld (270 %) oder Wettumsatz (99 Prozent) sind die Werte förmlich explodiert. Im Ranking deutscher Galopprennbahnen hat sich Hoppegarten seither vom achten auf den dritten Rang vorgearbeitet – nur die Standorte Baden-Baden und Hamburg hat man aktuell noch vor sich. Der nun anstehende Große Preis von Berlin am 14. August wurde nach seiner letzten Austragung mit dem Preis „Bestes Rennen Deutschlands 2015“ bedacht. Werte und Auszeichnungen als Beweis, dass der eingeschlagene Weg stimmt. Der „Macher“ Schöningh ist anlässlich der Renntage dabei in vielfältigen Rollen zu erleben. Als Gesprächspartner der Logenbesitzer im Hospitalitybereich ebenso wie von Offiziellen auf dem Vorplatz, als Teilnehmer der Siegerehrungen – vor dem Foto wird das Jackett noch zugeknöpft – oder einfach als erster Fan seiner Veranstaltung mit Fernglas am Schulterriemen und auch mal einem Bierchen in der Hand, der die einmalige Atmosphäre hautnah selbst miterleben möchte.

Nun also steht mit dem „Grand Prix Festival Meeting“ am Wochenende 13./14. August der Saisonhöhepunkt an. Am Samstag u. a. mit dem Finale im „Match Race Cup“, einem neuartigen Wettbewerb, in dem sich wie zum Abschluss eines Turniers zwei Pferde über die Sprintdistanz von 1.200 Metern auf gerader Strecke miteinander messen. Tags darauf geht es u. a. im Großen Preis von Berlin, für den inzwischen ein Schweizer Uhrenhersteller als Sponsor gefunden wurde, ans Eingemachte: über die klassische Distanz von 2.400 Metern ist das Gruppe I-Rennen mit insgesamt 175.000 Euro dotiert. Gerhard Schöningh hofft, dass er auch dann wie Ende Juli eine rundherum gelungene Veranstaltung anbieten kann. So resümierte er nach dem vergangenen Renntag: „Wir konnten feststellen, dass sehr viele Besucher mit einem Lächeln auf dem Gesicht die Heimreise angetreten haben.“

Nähere Informationen zum Rennwochenende hier
Text und Fotos: H. Nickelé