Berlinsport Aktuell on Tour (2/2)

Jo Lißner guckt in Stuttgart über den Berliner Tellerrand

Jo Lißner auf der Reportertribüne in der SCHARRena in Stuttgart (Foto: Irina Lißner)

Der reisende Reporter beim CEV-Pokal der Frauen

„Dit is‘ knorke“ ist weiter auf Tour. Wir berichten hier aus der SCHARRena in Stuttgart. Sie ist in die Mercedes-Benz-Arena im NeckarPark, der Heimat des Bald-wieder-Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart, eingebettet. Am Dienstag, dem 7. März, steht das Hinspiel in der KO-Phase des Volleyball-CEV-Pokals der Frauen auf dem Plan: zwischen Allianz MTV Stuttgart und dem amtierenden Champions-League-Sieger aus Italien, VBC Pomì Casalmaggiore. Nach Gewinn der "Königsklasse" hatten die Italienerinnen in der heimischen Liga allerdings ein Tief und qualifizierten sich so gerade mal für diesen, den zweithöchsten, Europapokal-Wettbewerb.
Alles andere als ein klarer Sieg der Italienerinnen wäre eine riesengroße Überraschung, aber auch am Sonntag hatte beim 5:1 im Tiebreak für Berlin ja niemand mehr gedacht, dass Friedrichshafen den Satz und das Match noch gewinnen würde. Bis auf die Häfler.

1.300 Zuschauer in der SCHARRena machen jedenfalls einen Heidenlärm, damit der Coup gelingt. Zwanzig italienische Supporter in rosa T-Shirts mit Mittelalter-Helmen, einem rosa Gummihammer, zwei rosagekleideten weiblichen Schaufensterpuppen und vielen Trommeln (wie konservativ im Vergleich zum restlichen Outfit!) halten nach Kräften dagegen.
Casalmaggiore ist übrigens eine 15.000-Einwohner-Gemeinde aus der Gegend von Cremona (Lombardei).

Der Favorit geht 2:0 in Führung

Satz 1 beginnen die Stuttgarterinnen jedenfalls ambitioniert. Beim Stande von 7:5 für die Gastgeberinnen haben die Italienerinnen allerdings genug und legen zu. Sie gehen schnell in Führung und lassen sich nicht vom Publikum aus der Ruhe bringen, das durch den quasi „mitspielenden“ Hallensprecher frenetisch angefeuert wird. Am Ende steht ein nie gefährdetes 25:19 für Casalmaggiore, das eher an ein schnelles 3:0 für die Italienerinnen glauben lässt.
Dennoch gehen die MTV-Frauen gut gelaunt und scherzend zum 2. Satz aufs Feld. Hier beginnt Stuttgart wieder stark, doch nach dem 3:1 reißt wieder der Faden. „Stuggi rockt“ nur auf dem Plakat im Publikum, auf dem Feld hapert es in der Annahme und im Zuspiel. Damit kann man im Angriff dann auch keinen Staat machen. Bei 4:12 schauen dann auch die kaum aus der Ruhe zu bringenden Nia Grant, Aiyana Whitney und Wanna Buakaew eher frustriert drein. Auch Wechsel von Karmen Kočar für Valerie Nichol und Deborah van Daelen für Whitney und retour bringen nichts. Gegen Satzende lässt es Casalmaggiore etwas schleifen, so dass auch dieser Satz „nur“ mit 25:19 ins Lombardische geht.

Stuttgart gibt nicht auf und gleicht aus

Dieser Schlendrian ist den Gastgeberinnen aber nicht verborgen geblieben. Sie haben zwar keine Chance, wollen diese aber nutzen. Mit vollem Einsatz und Konzentration gelingen nun viele Dinge, die zuvor schiefgingen: Sichere Annahmen werden in gute Zuspiele mit sicheren Abschlüssen verwandelt. Stuttgart ist mit einem Male komplett ebenbürtig. Und diese fanatische Menge von Menschen in blauer Fankleidung soll nur aus 1.300 Menschen bestehen? Laut sind sie wie 5.000!

Über 12:9 und 18:13 bringt Stuttgart den Satz mit 25:22 nach Hause. Der Coach von Casalmaggiore, Giovanni Caprara, nimmt das zum Anlass, einigen seiner Spielerinnen einen persönlichen, halb hysterischen Einlauf zu verpassen. Und aus Stuttgarter Sicht? Ehrensatz geholt und das war es? Es fühlt sich aktuell so an, als ob da noch mehr geht. Casalmaggiore spielt jedenfalls nun mit Wut im Bauch – und Angst vor dem Coach? Wie auch immer, die Italienerinnen gehen mit 10:5 gegen Stuttgart in Führung.

Doch Stuttgart lässt sich einfach nicht abschütteln, legt gar noch einen drauf. Bei 15:14 steht nach hart umkämpften Ballwechseln die erste Führung für den MTV und diese hält bis Satzende: 25:21. Satzausgleich, 2:2.

Im Tiebreak doch das Nachsehen

Der Berichterstatter hat somit ein Dejà-vu. Am Sonntagnachmittag in Friedrichshafen waren die Häfler und die BR Volleys doch auch über 5 Sätze gegangen. Und was passiert am Dienstagabend in Stuttgart?

Geschichte wiederholt sich – immer wieder.

Wie die BR Volleys beim VfB Friedrichshafen mit 5:1, so führen auch die Stuttgarterinnen im Tiebreak auf 15 Punkte schon überlegen mit 7:2. Und laufen dann in eine Serie des Gegners, von der sie sich nicht mehr erholen. In diesem Fall 1:8 Punkte. So verlieren die Gastgeberinnen den Entscheidungssatz noch mit 12:15 und das Match mit 2:3.
Aber: ganz großes Lob an die Gastgeber, denn nach dem 0:2-Rückstand hätte wohl niemand damit gerechnet, dass es überhaupt noch einen vierten oder gar fünften Satz geben würde.
Die Zuschauer beider Lager feiern nach 121 aufregenden Minuten ihre jeweiligen Lieblinge zurecht für ein dramatisches, in den letzten drei Sätzen sogar hochklassiges Spiel.
Beste Spielerinnen für Stuttgart waren Michaela Mlejnková mit 24 Punkten und Aiyana Whitney (19). Bei Casalmaggiore überragte Carmen Marinela Turlea mit 26 Punkten. Stuttgarts Headcoach Guillermo Naranjo Hernández war „sehr stolz“ auf seine Mädels. Sie hätten auf einem erstaunlichen Level gespielt und es Casalmaggiore extrem schwer gemacht. Giovanni Caprara war zufrieden, dass sein Team es trotz der starken Gegenwehr der Stuttgarterinnen das Ruder dann doch noch herumgerissen hatte. Seine Bankspielerinnen hätten den Unterschied ausgemacht.

Für das Rückspiel am Mittwoch, dem 15. März, muss man allerdings davon ausgehen, dass Stuttgart vor dem italienischen Publikum keine Chance hat und in Ehren gegen einen sehr starken Gegner im Viertelfinale ausscheidet. Die Fans bekommen in der SCHARRena Stuttgart beim MTV Allianz auf jeden Fall großen Sport geboten. Und auch der Berichterstatter bedauert den Besuch keinesfalls.