Gehörlosenfußball / BSC Comet: Vor dem Finale um die Deutsche Meisterschaft

INTERVIEW MIT VORSITZENDEM UND TRAINER FIKRET SEESE

Das Team des BSC Comet vor einem BFV-Spiel in der Kreisliga C im März

Der Berliner SC Comet bestreitet am Sonnabend in Augsburg das Endspiel um die Deutsche Fußball-Meisterschaft des Gehörlosen-Sportverbands (DGSV) 2023 gegen die GSG Stuttgart. Berlinsport Aktuell sprach im Vorfeld des Finales mit dem Vorsitzenden und Trainer der Mannschaft, Fikret Seese.

Herr Seese, der Berliner SC Comet steht an diesem Wochenende im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft für gehörlose bzw. hörgeschädigte Fußballer – ein Novum ist das aber nicht, oder?

Richtig, vor 18 Jahren waren wir das letzte Mal im Endspiel – damals habe ich selber noch gespielt. Leider ging die Partie aber gegen den GSV Düsseldorf, der seinerzeit Favorit war, mit 0:4 verloren. Gewonnen hat Comet die Meisterschaft aber schon mehrfach: zuletzt 1981, das war insgesamt der fünfte nationale Titel.

Wie schätzen Sie denn das Kräfteverhältnis ein zwischen Ihnen und dem Finalgegner GSG Stuttgart?

Na ja: Stuttgart hat die letzten beiden Jahre den Titel geholt, steht nun schon zum vierten Mal in Folge im Finale. Und wenn ich höre, dass sie jetzt noch drei französische Nationalspieler verpflichtet haben, kann ich nur sagen: es wird schwierig. Andererseits dürfte durch die noch größere Konkurrenz im Kader dort jetzt auch mehr Unruhe herrschen.

Also man könnte sagen, dass Sie eher die Außenseiterrolle einnehmen…

Auf dem Papier: ja – aber ich glaube, viele drücken uns die Daumen, dass wir Stuttgarts Titelhattrick verhindern.

Wo ist denn der Unterschied im aktuellen Gehörlosenfußball im Vergleich zu, sagen wir mal, ihrer letzten Finalteilnahme 2005?

Also damals wurde eher langsam gespielt, heute ist das Tempo um einiges höher. Wenn ich aktuell mal Stuttgart als Beispiel nehme, würde ich schätzen, dass sie im „normalen“ Fußball in der Bezirks-, vielleicht sogar Landesliga mithalten könnten. Wir sind dabei ja tatsächlich seit zwei Jahren auch im Bereich des BFV in der Kreisliga C aktiv (Comets Gehörlosen- und BFV-Team sind beinahe identisch, die Red.), perspektivisch würde ich uns jedoch dort auch die Bezirksliga zutrauen. Es gibt inzwischen aber im Gehörlosenfußball auch viel weniger Vereine – es konzentriert sich immer mehr auf einzelne, professionell geführte Teams. Das sehe ich etwas mit Sorge: früher waren es noch etwa 75 Klubs, die um die Großfeld-Meisterschaft gespielt haben, heute sind es an die 20. Dadurch, dass die besten Spieler abgeworben werden, musste so mancher Klub in den vergangenen Jahren sein Team abmelden.


FIKRET SEESE (BERLINER SC COMET)


Finalort ist dieses Jahr Augsburg – mit wieviel Zuschauern ist denn so zu rechnen bei einem Endspiel um die Deutsche Meisterschaft im Gehörlosenfußball?

Also ich kenne den Spielort dort (die Bezirkssportanlage Haunstetten, die Red.) und die Gegebenheiten in Augsburg nicht so. Ich weiß nur: letztes Jahr fand das Endspiel in Hamburg statt, und da waren es so an die 1.000 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Und wie „professionell“ geht es bei Ihnen am Finalwochenende zu – reisen Sie z. B. schon einen Tag vorher an?

Wir haben ja eine weite An- und Abfahrt – und da die Partie am Samstag um 15 Uhr angepfiffen wird, reisen wir schon am Freitag an und werden es auch nicht mehr am Endspieltag nach Hause schaffen. Das bedeutet, dass wir neben den Fahrtkosten auch zwei Übernachtungen vor Ort zahlen müssen – alles aus Mitgliedsbeiträgen. Und wir sind ja auch noch mit unseren anderen fünf Teams beim BSC Comet (Frauen, Ü32, 7er, U15, Futsal, die Red.) erfolgreich im Gehörlosenfußball unterwegs. Unser Sponsor, der auch mit Frau Gülden Kanal im Vorstand des Vereins vertreten ist, übernimmt dabei schon die Kosten für die Ausrüstung. Dass wir die Hotelkosten bislang so aus Beiträgen stemmen konnten, ist dabei zwar schon stark – aber man muss auch sagen, dass wir da mittlerweile am Limit angekommen sind.

Also bringt der sportliche Erfolg auch einiges an Ausgaben mit sich?

Das kann man wohl sagen – deswegen suchen wir auch nach weiterer, finanzieller Unterstützung. Einen Gehörlosenverein zu sponsern, ist ja auch eine wirklich gute Sache: wir als BSC Comet können dafür erfolgreiche Arbeit und bundesweites Auftreten bieten. Nachhaltigkeit in Form von Jugendarbeit ist bei uns auch gegeben, im Gegensatz etwa zu unserem Finalgegner.

Wie verlief denn Ihr Weg ins Endspiel?

Wir haben zunächst wie im Vorjahr die Regionalmeisterschaft gewonnen. Hier sind übrigens nur noch drei Teams am Start gewesen – ein Zeichen dafür, dass auch unter reinen Amateurbedingungen wie in der Nordost-Staffel das Aufrechterhalten des Spielbetriebs keine Selbstverständlichkeit darstellt. Das führte dazu, dass auch Hildesheim und Hamburg in die K.O-Runde einzogen, wir als Staffel-Meister aber direkt für das Viertelfinale qualifiziert waren. Dort haben wir vom Verzicht der GSF Wuppertal-Dönberg profitiert – und im Halbfinale in Hildesheim dann immerhin den Rekordmeister GSV Karlsruhe durch zwei späte Treffer rausgeworfen.

Herr Seese, dann wünschen wir Ihnen und der Mannschaft des Berliner SC Comet, dass Sie nach über 40 Jahren mal wieder den großen Wurf landen können…

Vielen Dank..!

Beitrag+Fotos: BspA/Hagen Nickelé