Zum Saisonstart der NOFV-Oberliga Nord

Ein Hauch von Oberhaus*

Die Zahl der Berliner Vertreter in der Oberliga wächst auf sechs – mindestens drei von ihnen haben vor Beginn der Saison 2018/19 den Aufstieg im Sinn.

Rot gegen (Lila-)Weiß: Das Duell Lichtenberg 47 (mit Thomas Brechler, r.) gegen Tennis Borussia (Nils Göwecke) könnte die Spielzeit in der Oberliga prägen

Vergangene Saison „berlinerte" es in der NOFV-Oberliga Nord bereits kräftig – vier Teams der „Top Five" kamen aus der Hauptstadt. Platz eins und den Aufstieg sicherte sich allerdings mit Optik Rathenow ausgerechnet der einzige Club aus Brandenburg in der Spitzengruppe. Durch Aufsteiger Sportliche Vereinigung Blau-Weiß 90 steigt die Zahl der Berliner Oberligavereine in der Anfang August startenden Saison auf sechs. Ein Drittel aller Mannschaften aus der Nord-Staffel sind also in Berlin beheimatet. Dies, so ist von vielen Seiten zu hören, erhöht die Attraktivität der nicht überall geliebten Oberliga deutlich. Schon der erste Spieltag beschert den Fans etwa die klangvolle Paarung Blau-Weiß 90 gegen Tennis Borussia – immerhin ein Duell zweier Ex-Bundesligisten.

Lila-Weiß will Platz 1 - auch mit neuem Trainer

Platz 1 im Visier: TeBe's neuer Trainer Dennis Kutrieb (M.), hier mit Assistent Sascha Schrödter (l.)

TeBe zählt selbstredend zu den Mitfavoriten für den Aufstieg in die Regionalliga Nordost – schließlich hatte der Vereinsvorsitzende Jens Redlich bereits im Jahr 2016 das Ziel formuliert, binnen drei Jahren die Regionalliga zu erreichen. An dieser Vorgabe halten die Verantwortlichen auch fest, obwohl gerade ein größerer personeller Umbruch in der Mannschaft stattfand. Schon auf der Trainerbank kam es zum Wechsel: Ex-Nationalspieler Thomas Brdaric verließ den Verein Richtung Erfurt (Regionalliga). Trotz starker 72 Punkte und dem zweiten Platz in der vergangenen Spielzeit wollte man die finanzielle Belastung in dem mit Krisen vertrauten Club nicht weiter auf sich nehmen. Man entschied sich für eine „interne" Lösung: Dennis Kutrieb, seit Januar Trainer der U19, hat das Amt bei den Herren übernommen. Der 38-Jährige weiß zumindest, wie man den ersten Platz in der Oberliga erreicht: Erst vor einem guten Jahr war er am Durchmarsch der VSG Altglienicke in die Regionalliga Nordost beteiligt.

Kutrieb muss nun also nicht nur in Brdaric’ große Fußstapfen treten, sondern auch die Renovierung des Kaders übernehmen. Insgesamt haben zehn Spieler TeBe im Sommer verlassen, nur drei aller Neuzugänge kommen aber ebenfalls von anderen Oberligisten. Lediglich der junge Abwehrspieler Fynn Johannes Rocktäschel (20 Jahre, elf Einsätze für St. Pauli II) kommt aus einer höheren Spielklasse. Gleich beide Torhüterpositionen mussten zudem neu besetzt werden, die Nachfolger sind jünger und somit unerfahrener. So wird im Kampf um den Aufstieg wohl viel an den bei den Veilchen gebliebenen Routiniers liegen: allen voran an Spielmacher und Standardspezialist Thiago Rockenbach da Silva (33, früher unter anderem Werder Bremen), der allerdings ebenso wie Stürmer Karim Benyamina (36, früher unter anderem 1. FC Union) schon deutlich jenseits der 30 ist. Dazu soll Rifat Gelici (27) weiter für das spielerische Element sorgen, in der Verteidigung wird auch Trainer Kutrieb wieder auf Thomas Franke (30), Nils Göwecke (27) und Kapitän Nico Matt (29) bauen.

Lichtenberg 47 bleibt sich treu

Gewinnen durch Gemeinschaft: Lichtenberg 47 setzt weiter auf das Kollektiv um Christian Gawe (3. v.l.)

Mit bewährten Kräften arbeiten, das ist auch seit Jahren die Philosophie beim SV Lichtenberg 47. Da man der eigenen Einschätzung nach aber mit den anderen Vereinen an der Spitze finanziell nicht mithalten kann, wird der Sprung in die Viertklassigkeit nicht als Muss ausgegeben. Sportlich gesehen läuft es seit Jahren top bei den Rot-Weißen: In der abgelaufenen Spielzeit stellte man einen weiteren, internen Punktrekord (66) auf und besaß hinter dem Meister aus Rathenow die zweitbeste Offensive. Bei etwas mehr Cleverness wäre für die Lichtenberger noch mehr möglich gewesen – doch die kommt mit der Zeit.

So hat man das Team um Korsettstangen wie Abwehrrecke Sebastian Reiniger, Kapitän David Hollwitz (früher 1. FC Union) oder Angreifer Thomas Brechler beisammengehalten. Dazu kehrt mit Maik Haubitz ein Mittelfeldspieler mit Regionalliga-Erfahrung zurück an die Ruschestraße. Und natürlich hat man auch Christian Gawe gehalten – 2017/18 war der 25-jährige Mittelfeldspieler bester Vorlagengeber der Oberliga (20 Assists) und wurde gerade zu Berlins Amateurfußballer des Jahres gewählt.

Schatte mit Comeback bei "kleiner Hertha"

Hertha-03-Präsident Niroumand will bis zum Jahr 2020 aufsteigen.
Kamyar Niroumand, Präsident des FC Hertha 03, will mittelfristig mit seinem Verein aufsteigen 

Auch beim FC Hertha 03 wird von der Regionalliga geträumt – Präsident Kamyar Niroumand hat mit der Frist bis zum Jahr 2020 den Rahmen zur Realisierung aber etwas großzügiger als etwa bei TeBe gesteckt. Wie TeBe gehen die Zehlendorfer mit einem neuen Trainer ans Werk – Markus Schatte war allerdings dort schon einmal über zwei Jahre tätig und kennt den Verein überaus gut. Der 62-Jährige muss ebenfalls mit einigen Abgängen vor dieser Spielzeit leben, von denen aber nicht jeder ins Gewicht fällt.

Von den Neuzugängen verfügt jedoch nur Daniel Wahl (von Lichtenberg 47) über den „Stallgeruch" der Oberliga, Rückkehrer Efraim Gakpeto nimmt bei den 03ern einen neuen Anlauf. Im Sturm hat er aber Sebastian Huke vor der Nase, an dem das Toreschießen bei der „kleinen Hertha" wohl weiterhin hängen wird: 24-mal traf der 28-Jährige in der vergangenen Spielzeit. Auch zwei Junioren aus der berühmten Nachwuchsarbeit von Hertha 03 stoßen dazu – ob das für den großen Wurf reicht, ist jedoch durchaus zu bezweifeln.

Kann der Aufsteiger auf Anhieb mitmischen?

Louis-Nathan Stüwe verstärkt ab diesem Sommer den Aufsteiger Blau-Weiß 90.
Louis-Nathan Stüwe verstärkt ab diesem Sommer den Aufsteiger Blau-Weiß 90 

Neuling Blau-Weiß 90 hat sich selbst den Aufstieg in die Regionalliga bis 2022 als Ziel gesteckt. Wird der Plan „übererfüllt", hat man an der Rathausstraße aber sicher nichts dagegen. Dass der Aufsteiger finanziell in der Oberliga mithalten kann, beweisen die fünf Neuzugänge von Konkurrenten aus dieser Spielklasse. Mit Louis-Nathan Stüwe (Altglienicke) kommt sogar ein Spieler aus der Regionalliga zu Blau-Weiß. Zum Akklimatisieren in der neuen sportlichen Umgebung reicht das Personal also allemal, zum Angriff auf Platz eins aber wird man in Mariendorf wohl erst 2019/20 blasen.

Bei den übrigen beiden Berliner Vertretern hat ein gesicherter Platz im Teilnehmerfeld Priorität. Der SC Staaken sollte diesen trotz einiger Abgänge mit seinem Teamgeist erreichen. Bei Hertha 06 erwartet Trainer Murat Tik – vor drei Jahren mit dem Verein aufgestiegen – nach seiner Rückkehr auf die Bank der Charlottenburger dagegen sicher ein schwierigerer Job.

Und wem wäre am ehesten die Rolle von „Optik 2.0" zuzutrauen – also dem Verein, der die Hauptstadtaspiranten allesamt in die Röhre gucken lassen könnte? Da kämen wohl der Brandenburger SC Süd 05 oder FC Anker Wismar in Betracht. Beide Teams hatten in der Rückrunde 2017/18 – auch unter dem Eindruck der an der Spitze davoneilenden Rathenower – etwas abgebaut. 2018/19 aber ist in jedem Fall ein engeres Rennen um den Aufstieg zu erwarten – mit einem Mangel an Motivation ist da diese Saison also nicht zu rechnen.

*Dieser Beitrag erschien bereits als Printversion, Stand: Mitte Juli

Beitrag+Fotos: Hagen Nickelé