Trab: Zusammenfassung der letzten zwei Derby-Tage

Sonntag, 4. August 2019 - 7. Tag des Derby-Meetings

124. Deutsches Traber-Derby:

Wimpernschlag-Finale für Holland - mit deutsch-kanadischer Besitzernote!

Foto-Finish: So knapp ging es im Traber-Derby 2019 zu – am Ende hatte Velten von Flevo (ganz hinten) buchstäblich die Nase vorne (Foto:©Marius Schwarz)

Was für ein Finale furioso im Traber-Derby, bei dem, um ein geflügeltes Wort des englischen Fußballers Gary Lineker zu bemühen, am Ende wieder die Holländer gewannen. Gewiss hat es knappe, dramatische Entscheidungen, die ja das Salz in der Sportler-Suppe sind, zuhauf gegeben. Aus der persönlichen, immerhin schon 49jährige Derby-Historie fällt dem Chronisten ad hoc jedoch nur ein Blaues Band ein, bei dem der stolze Sieger erst nach Auswertung der Zielfotografie hochgezogen werden konnte: 1993 war’s, als Gerhard Biendl mit Speedy Harry vor dem hinter Tartas zu früh jubelnden Michael Schmid die Lorbeeren einheimste. Und nun ein Dreikampf, wie er furioser nicht hätte sein können: Innen der vom Fleck weg den Takt vorgebende Velten von Flevo, daneben der stete unerschrockene Angreifer und Favorit Juan Bros, dessen italienische Fangemeinde sich beim Aufmarsch der zwölf Finalisten am Ziel versammelt hatte und einen Heidenspektakel machte, weit außen ein gewaltig, aber eben um einen Hauch zu spät auf vollen Pötten heranrasender Rancoon. Ganz innen River Flow, für den Thorsten Tietz händeringend wie händevoll nach einer Passage suchte, durch die Pferd und Sulky passten, um wie im Vorlauf den explosiven Speed des Baltimore-As-Sohnes in den lockenden Sieg umzumünzen - und die nie kam bzw. nur groß genug war, um das Pferd hinein zu quetschen.

„Kampf kurzer Kopf – kurzer Kopf – Hals“ lautete der Richterspruch nach Auswertung des Zielfotos für die oben beschriebene Reihenfolge. Ein Resultat, das das Adlerauge von Berlins jahrzehntelangem Rennkommentator Peter Fahrentholtz trotz der Millimeter-Entscheidung genau so gemutmaßt hatte und der sich dennoch selbstverständlich auf die unbestechliche Technik stützte.

Für das altbewährte Dream-Team um Robin Bakker und Paul Hagoort, die zur 124. Auflage des Blauen Bandes nicht angetreten waren, weil sie keinen konkurrenzfähigen Dreijährigen hatten, sprang das nächste geniale Duo der Oranjes in die Bresche: die seit Monaten europaweit für Furore sorgenden holländischen Champions Jeroen Engwerda als Trainer und Henricus Ebbinge als Vollstrecker, der kurioserweise nur in den Rennprogrammen seines Heimatlandes mit diesem Vornamen gelistet ist und überall sonst als „Rick“ in den Annalen steht. „Bleibt Velten von Flevo gesund und entwickelt sich weiter so, wird dies mein Pferd fürs deutsche Derby“, hatte Engwerda, der am 28. Juli sein 58. Lebensjahr vollendet und sich sein schönstes Geburtstagsgeschenk mit Verspätung selbst beschert hatte, im kleinen Kreis Ende der Vorsaison preisgegeben. Da hatte der auf der Flevo Farm der Familie Iwema geborene, wie viele seiner „Landsleute“ ins deutsche Gestütbuch eingetragene Dunkelbraune gerade seinen einzigen Auftritt als Zweijähriger im Hamburger Winterfavoriten gewonnen und für die seit Jahrzehnten in den deutschen Trabersport investierenden Sigrid Velten und ihren kanadischen Lebenspartner, Eishockey-Legende Bernie Johnstone, 10.000 Euro eingerannt. Erst spät - am 2. Juni in Berlin in einem Warm-up zum Buddenbrock-Rennen - war er in die wichtigste Saison eines Rennpferdes eingestiegen, und das mit einer roten Karte. Die bügelte er mit einem lockeren Sieg im Gelsenkirchener Alltagsgeschäft umgehend aus, und spätestens mit dem leichten Triumph vorneweg im langsamsten aller vier Derby-Vorläufe am 21. Juli war er im inneren Zirkel jener Sechs angekommen, die nach Meinung der Auguren reell für die fetten Prämien in Betracht kommen sollten.

Entschieden wurde das vielleicht nervenzerfetzendste Derby aller Zeiten, so paradox das klingen mag, bereits am Start. „Keine Frage - Velten von Flevo wird vor River Flow an die Spitze fliegen, und dann kommt es darauf an, wie schnell Juan Bros, der kein Raketen-, sondern ein ganz normaler Starter ist, an seiner Seite aufzieht. Rick ist nicht umsonst vor kurzem Weltmeister geworden. Er ist extrem nervenstark, weiß seine Gegner genau einzuschätzen und macht keine taktischen Fehler“, analysierte Hollands „Mister Drafsport“ Hans Sinnige vorab - und genau so sollte es kommen. Wie der Blitz schoss Velten von Flevo vor River Flow, Place Royal und Rancoon in Front. Von ganz außen wirbelte Orkan von Haithabu vor Juan Bros, Juan Les Pins und Jason Dragon an seine Flanke und wartete auf eine Lokomotive, die in Form des Favoriten Juan Bros vor den Tribünen folgerichtig anmarschiert kam. Als die „gelbe Gefahr“ Alessandro Gocciadoro 1100 Meter vorm Ziel endlich auf Augenhöhe Velten von Flevos war, wollte ihn Rick Ebbinge nicht mehr vorbei lassen: „Hätte er früher angeklopft - ja! In dieser Phase nicht mehr!“ So musste der Muscle-Mass-Sohn, für den nach seinem Vorlauf-Spektakel kolportierte Gebote um die 500.000 Euro ausgeschlagen worden sein sollen, den Rest des Weges durch die Todesspur, was der knackige Braune klaglos hinbekam. „Eine Sekunde drin“, wie nach dem 1:13,4-Qualifier vom „Mann in Gelb“ verkündet, um das Ballyhoo anzuheizen, hatte er jedoch mitnichten. Auf der Zielgeraden rangen die beiden Protagonisten um buchstäblich jeden Zentimeter mit dem besseren Ende für Velten von Flevo und wären doch beinahe von Rancoon erwischt worden, mit dem Rudi Haller 600 Meter vorm Ziel innen um eine Position vorrücken konnte, weil Place Royal hinter Juan Bros nach außen gewechselt war. Seinen ersten deutschen Derby-Sieg verpasste der „Haller Rudi“ genauso knapp wie der innen mit River Flow zur Tatenlosigkeit verdammte Thorsten Tietz. Fünf Längen hinter diesem rasenden Quartett, für das durchweg 1:13,0 eingetragen wurde, komplettierte Jason Dragon vor dem blass bleibenden Juan Les Pins die Riege der vorab sechs Chancenreichsten.

Otero mit dem dicksten Trostpflaster

Zwei, die als Gesetzte die Pflicht vor der Derby-Kür versemmelt hatten, machten den mit 20.000 Euro dotierten Derby-Trostlauf unter sich aus. Josef Franzls Otero kam die diesmal bessere Ausgangslage von Startplatz „5“ sehr zupass. Sofort vor seinem stärksten Rivalen Gladiateur in Front gehechtet, verurteilte er den Umsturzversuch des „Gladiators“ ohne größere Mühe um eine Länge zum Scheitern und trabte 10.000 Euro für die Lasbeker Kasse ein, wofür dem Muscle-Hill-Sprössling 1:14,2 reichten.

Mit Jet-Effekt zum Bahnrekord

Erster Höhepunkt des üppigen 14-Gänge-Programms bei bestem Rennbahn-Wetter - bewölkt, trocken, nicht zu warm und nicht zu kalt - war die Rekordmeile, in der Deutschlands internationales Aushängeschild Orlando Jet trotz zweiter Startreihe und einem mäßigen Beginn kurzen Prozess mit den sechs Rivalen machte. Vor Publikum in zweiter Spur auf Attacke gepolt, genügten dem Traber des Jahres 2016 zwei 400-Meter-Abschnitte von 1:09,9, um den erklärten Gegner Halva von Haithabu von der Kommandobrücke zu jagen. Auf der Zielgeraden zwei, drei Längen voraus, musste Rudi Haller sein Schmuckstück ein wenig vorm Einschlafen bewahren, „denn den Bahnrekord wollte ich unbedingt. Genau dafür waren wir hier.“ Der fiel dann auch: Mit 1:11,1 war Fridericus‘ drei Jahre alte Bestmarke um eine Zehntelsekunde Geschichte, und entsprechend frenetisch wurden die Publikumsmagneten gefeiert.
Der als Kontrastprogramm anschließende Derby-Pokal der Steher über gepflegte 2500 Meter wurde eine bombensichere Beute von Timberlake Diamant, mit dem Gerhard Biendl, nach 400 Metern auf dem Platz an der Sonne, ein gemütliches Tempo vorlegen durfte und nach zwei Runden genügend in der Hand hatte, um seinem Schatten Kobra Håleryd wie seinem äußeren Begleiter Toscanini Diamant mühelos davonzufahren.

Free Bird in der Derby-Revanche

Auch ohne Mister F Daag und Ids Boko, Erster bzw. Zweiter des Blauen Bandes 2018, die vor acht Tagen ein Engagement im französischen Enghien vorgezogen hatten, ließ die traditionelle Derby-Revanche nichts zu wünschen übrig und wurde in einem Fotofinish entschieden, bei dem man die ersten Drei mit dem Taschentuch zudecken konnte. Das war durchaus zu erwarten, denn fünf der acht Aspiranten, die an die 25.000 Euro ran wollten, notierten am Toto im zweistelligen Bereich. Am Ende kam von ganz hinten ein Vogel geflogen, der mit dem letzten Schritt für 151:10 eher Wenige glücklich machte. In einem erbitterten Gefecht wehrte sich Führungsoffizier Officer Stephen mit Bravour gegen den immer zudringlicher werdenden Very Impressive S und hielt ihn um eine Länge auf Distanz. Damit war der Sieg für den Officer aber noch längst nicht in Sack und Tüten, denn nun schaltete sich Cahaya, die Zweite des 2018er Stuten-Derbys, mit Schmackes ein und schien für den Sieg gerade so hinzukommen. Noch einen Tick besser ging Free Bird. „Mir schwante eingangs der Zielgeraden, dass selbst gegen diese Kracher noch was gehen könnte. Dieses Pferd hat sich jetzt voll gefunden und kann immer noch zwei Gänge zuschalten“, wie Robbin Bot beichtete, „obwohl es so knapp war, war ich mir relativ sicher, dass wir die Nase als Erste am Zielstrich hatten.“ Das Kuriose: „Aus dem Derby wurde er bewusst herausgenommen, weil es für ihn zu früh kam. Wir wollten ihm alle Zeit zur Reife geben und ihn Schritt für Schritt an größere Aufgaben heranführen“ - was der kleine körperlich kleine Ready-Cash-Sohn mit dem Sieg im Hamburger Dreijährigen-Halali am 14. November erstmals auf höherer Ebene gedankt hatte.

An den vor zwei Jahren verstorbenen Gerhard Krüger erinnerte das erste Rennen für die Youngster, das die wie siamesische Zwillinge aneinander klebenden Emoji und Baltic Star über weite Strecken bestimmten. Schien sich Emoji in der letzten Biege etwas absetzen zu können, so folgte der Konter des Herausforderers auf dem Fuß: „Ich wollte dort noch nicht alles riskieren. Er sollte kurz Luft holen für die entscheidende Gerade“, schilderte Thomas Panschow die Situation. 200 Meter vorm Ziel war der Revenue-Sohn nicht nur wieder dran an Emoji, sondern gab ihr bis ins Ziel ganz leicht das Nachsehen, und auch Fräulein Trixie raufte sich knapp an der Wishing-Stone-Tochter vorbei.

Wie fast schon gewohnt wurde auch der letzte Meeting-Tag mit dem überlegenen Sieg eines „Brenners“ eröffnet. 17:10 notierte der Totalisator für den im Derby-Vorlauf überforderten Moncler Bo, dem Dion Tesselaar eine sehr viel passendere Aufgabe in der Gewinnarmen-Klasse ausgesucht hatte. An der letzten Ecke überschlugen sich die Ereignisse: In Front geriet SJ’s Bianco, schwer unter Druck, ein Stück von der Piste ab, schlingerte und sprang und entledigte sich schließlich, als die Gefahr längst gebannt schien, seines Fahrers Erwin Bot. Der dahinterliegende Tesselaar, ohnehin verzweifelt auf der Suche nach einem Durchschlupf, riss Moncler Bo nach außen, um ein Auffahren zu vermeiden, und kam dabei Over the Cloud in die Quere, der bis zur roten Karte sprang. Der Rest war ein Leichtes für den Virgill-Boko-Sohn, der Michael Nimczyks Bavaro flink überrannte. Während der fahrerlose SJ’s Bianco dank der konzertierten Hilfe von Mykola Volf, Josef Franzl und Moderator Christoph Pellander rasch eingefangen werden konnte, bevor es größere Schäden gab, und auch Erwin Bot gleich wieder auf den Beinen war, kam das dicke Ende für Moncler Bo durch die Rennleitung, die ihn wegen des Fahrspurwechsels zu Lasten Over the Clouds disqualifizierte.

Weil’s so blöd war, durfte gleich der nächste vermeintlich überlegene Sieger die Ehrung knicken: Gobelin genügte weit voraus im Reiten des Kombi-Pokals in der Gangart nicht, so dass die weit abgehängten Georgies Express und Anne Lehmann mit Verspätung im Winner Circle erschienen.

Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige, und der hieß im dritten Rennen erneut Michael Nimczyk, dem im wahrsten Sinne die Gegner im Galopp abhanden kamen. Der letzte war 150 Meter vorm Ziel Fight of the Night, so dass die vom Fleck weg führende Stand up nur noch unfallfrei durchziehen musste.

Teil zwei des Kombi-Pokals, ein Fahren für die Profis, ging ohne Beanstandungen über die 1900 Meter weite Bühne. Der geschenkte Sieg hatte Georgies Express offensichtlich derart viel Mumm verpasst, dass er sich hinter Tempomacher Falco kräftig aufbaute und jenem und Heinz Wewering die Siegerehrung vermasselte. Im Sulky saß Jochen Holzschuh. Das Quäntchen mehr Glück hatte der zweifache Weltmeister und 29fache „ewige Goldhelm“ im Pokal der Derby-Champions. Die sofort in Front gepreschte Donna Granata zwang er dank seiner Finishkünste gegen den mit Josef Franzl enorm zudringlichen Malory um eine Nasenspitze als Erste an die Linie, wie ein Blick aufs Zielfoto auswies.

Andre Pögel, der in einer unglaublichen Form agierende König der Amateure, und Prince of Persia holten sich aus der Frontlage das letzte Treffen der Hobbyfahrer in einer Manier, wie es adligen Häuptern geziemt. Weder Ulalia noch Laura Vici als Beste des Fußvolks hatten den Hauch einer Chance, dem kernigen Fuchs am Zeug zu flicken.

Die letzten beiden Aufgaben wurden von Speedpferden gewonnen. Erst verpasste Michael Nimczyk, der Mann der sieben „Derby-Tage“ schlechthin, dem im Derby-Vorlauf überforderten Rheingold hinter Ovation L.A. und Jack Scott das perfekte Windschattenrennen und streckte die beiden Rivalen „aus der Kiste“ trocken nieder. In ähnlicher Manier ließ Jaap van Rijn im das Meeting beschließenden Trotteur-Français-Vergleich über „unendliche“ 3200 Meter die Gemeinten Amiral de Retz, Dean les Jarriais, Confidential Bond und Venicio Pommereux sich gründlich austoben und hatte mit der fulminant spurtenden Dame Quick im Handumdrehen gewonnenes Spiel.

Beim großen Stühlerücken nach den sieben tollen, durch die fast zweiwöchige Pause etwas entspannteren Tagen galt der erste Blick dem, was an den tatsächlichen und virtuellen Wettkassen herausgekommen bzw. in sie hinein geflossen war. Am Derby-Tag lag der Umsatz um 7.500 Euro über dem des Vorjahrs. Insgesamt wurden an den sieben Tagen landauf, landab 2.717.106,60 gewettet - rund 7.700 Euro weniger als 2018. Der Schnitt pro Rennen - statt 89 in 2018 waren es heuer 91 - sank von 30.529 auf 29.942 Euro.

Umsatz bei 14 Rennen: 724.764,71 Euro (incl. 342.298,45 Euro Außenumsatz)
Umsatz PMU-Rennen (Derby) in Frankreich: 7.925 Euro


Samstag, 3. August 2019 - 6. Tag des Derby-Meetings

Grandioser Triumph: Michael Nimczyks erster Stutenderby-Sieg

Auch ein Goldhelm feiert noch Siegpremieren: Michael Nimczyk siegte mit La Grace erstmals im Stuten-Derby

La Grace „wie auf der Parade“ – Goldhelm auch im Trostlauf top – Zauni mit fantastischem Monté-Rekord – Super Trot Cup an Fabio Bianco und Rob de Vlieger

Man konnte die Pflastersteine förmlich plumpsen hören, die dem Ehepaar Mommert und Michael Nimczyk nach dem zum 31. Mal ausgetragenen Stuten-Derby von den Herzen fielen. Im extrem ausgedünnten deutschen Zuchtrennen-Kalender tilgte der achtfache Goldhelm endlich einen weißen Fleck in seiner Vita und trug sich erstmals in die Siegerliste eines Derbys ein. Identisches gilt für die überglücklichen Besitzer, die im den letzten Jahrzehnt nicht nur in die Mariendorfer Rennbahn-„Hardware“ immens investiert haben, sondern auch in den Aufbau einer extrem schlagkräftigen Vierbeinigen-Armada. Einen Tag, nachdem ihr großer Bruder Laurel Park den Derby-Marathon leicht und locker gewonnen hatte, tat es ihm die kleine Schwester La Grace in ähnlicher Manier nach und bescherte ihrem Fahrer und dessen als Trainer verantwortlich zeichnenden Vater Wolfgang den bedeutendsten Erfolg der Laufbahn. „Ich brauchte sie nie zu fordern - da war noch sehr viel Luft nach oben“, hatte der 33jährige nach dem überaus leichten Vorlaufsieg vor 14 Tagen viel Optimismus ausgestrahlt.

100 Meter nach dem Start dürfte der Adrenalin-Spiegel zumindest der äußeren Beteiligten Richtung Normalmaß gefallen sein, denn La Grace setzte mit dem ersten Schritt alle Hoffnungen wie ein altgedienter Profi um. Leichtfüßig und ohne einen wackligen Moment spritzte die Tochter der Le Rêve (der Traum) sofort nach vorn, während Klingande beim „Ab“ im Galopp „out“ war, und konnte sich alles ohne mit der Wimper zu zucken einteilen. Jetway Fortuna, Brightlands und Gaja folgten ihr innen, erst Jessy Schermer, dann Jeanet Newport, schließlich Janske Beemd waren die Zugpferde in Spur zwei, wodurch Rock my Dreams, als Einzige zur etwas ernsthafteren Herausforderin der Nimczyk-Stute erkoren, immer weiter aus dem Blickfeld geriet. Als Josef Franzl schließlich nach einer Runde in dritter Spur zu vorderen Ufern aufbrach, war es gar kein Problem für La Grace, fast spielerisch zuzulegen. Ohne einen Handschlag ihres Piloten kontrollierte sie, „die alles hat, was ein exzellentes Rennpferd braucht: Mut, Trabsicherheit, Kapazitäten und ein tolles Nervenkostüm“, Zeit, Gegner und Raum. So überlegen, wie „Meiki“ seinen ersten Derby-Titel einfuhr, sicherte sich Josef Franzl mit Rock my Dreams für eigene Kasse den Ehrenplatz vor Jetway Fortuna, für die Cees Kamminga keine bessere Lokomotive als „die Begnadete“ hätte finden können. Gaja und Brightlands holten, konsequent innen auf Arbeit, die Prämien vier und fünf.

Sieben Starts, vier Siege, zwei Ehrenplätze, 52.002 Euro Gage - „bleibt La Grace gesund, werden wir noch viel von ihr hören“, war das Schlusswort des deutschen Trainerchampions Wolfgang Nimczyk, der sie gemeinsam mit Sohn Michael das Einmaleins der Traber gelehrt hat.

Trostlauf für Marylin

Maß genommen für sein größtes Ding hatte „M.N.“ drei Stunden zuvor im Trostlauf, der eine glasklare Sache für Marylin Monroe Bo wurde. Hatte die Andover-Hall-Tochter vor 14 Tagen die Startphase nicht fehlerlos überstanden, so bekam sie die diesmal aus der zweiten Reihe von der „12“ geradezu brillant hin, wogegen die heiße Favoritin Jacky Bros wie schon im Qualifier im Galopp sofort „out“ war. In der ersten Kurve kreuzte der Goldhelm an der Seite von C’est si bon auf, übernahm ausgangs derselben das Kommando und hatte damit alle Trümpfe in der Hand. Die spielte er eine Runde später entschlossen aus und führte die Schwester von Donna Kievitshof und Kiss Me Bo zu einem ganz leichten Erfolg vor Vincennes Diamant, Jamaica Ferro, C’est si bon und Gwendoline Go, die den Marsch durch die Todesspur nicht ganz durchstand.

Danach durfte endlich auch mal Thorsten Tietz, für den das Meeting bislang unter aller Kanone gelaufen war, zur Siegerehrung umdrehen. Im Pokal der Publikumslieblinge drückte der 41jährige mit Glaedar, bis er nach knallharten 600 Metern endlich in Front war. Als Larsson nach einer Runde aus dem zweiten Paar außen attackierte, zog er ihm mit einer Tempoverschärfung das Weiße aus den Augen, was in einer Endzeit von 1:13,1 gipfelte.

Super Trot Cup nach Holland

Mit 70.000 Euro nicht viel weniger wert als das Arthur-Knauer-Rennen war das Finale des heuer über sechs Vorläufe in sechs verschiedenen Ländern entschiedenen Super Trot Cups. Aus Mailand, Baden bei Wien, Jägersro, Wolvega, Berlin-Mariendorf und dem jütländischen Skive stellten sich die Siegertypen der 2500-Meter-Aufgabe, bei der lange Zeit Wolvega-Sieger Durk M Boko den Vorsitz vor Vincent SM, Fabio Bianco und Desert King führte und dem zweimaligen Versuch Heinz Wewerings, ihm mit Rainbow Diamant schwungvoll den Taktstock zu entreißen, eisern widerstand. Das sollte für Beide Folgen haben, denn auf den finalen 600 Metern packten sie gründlich ihre Sachen. Dafür wurden die Jägersroer und Badener „Winner“ Zefiro dei Cedri und Pocahontas Diamant umso prominenter, und allmählich schien sich die Waage Richtung der seit einem Jahr in Italien bei Alessandro Gocciadoro stationierten „diamantenen Häuptlingstochter“ zu neigen. Bis ins Ziel rangen sie um jeden Zentimeter, waren an der imaginären Linie gleichauf - und durften sich den Sieg dennoch nicht teilen. Wie ein Falke auf Beute hatte innen Rob de Vlieger gelauert, erspähte die Lücke, schoss mit Fabio Bianco verblüffend leicht hindurch und bescherte all jenen, die an ihn geglaubt hatten, mit 136:10 ein schönes Aufgeld. „Danke für die Blumen, was die exzellente Fahrership betrifft, aber wenn du ein gutes Pferd hast und die Ausgangslage stimmt - die ‚5‘ war ideal -, ist es leicht, gut auszusehen“, bedankte sich der auf den letzten Metern fliegende Holländer bei Moderator Christoph Pellander, „ich habe Fabio noch gar nicht lange in Training, so dass die Meriten auch all jenen gebühren, die ihn vorher betreut haben. Schon in Wolvega gefiel er mir ausnehmend gut. Wir hatten das Pech, im letzten Bogen in ein ziemliches Durcheinander zu geraten und das Glück, dass wir’s gerade so ins Finale geschafft haben. Sonst wären wir heute gar nicht hier.“ So dicht beieinander liegen „Hosianna“ und „Kreuziget ihn“ nicht nur im Pferdesport. „Als I-Tüpfelchen ist er rundum barfuß gegangen. Das mag den Ausschlag gegeben haben.“

Kurios: Wie Michael Nimczyk hatte auch de Vlieger sich zuvor die Stätte der Siegerehrung genau angeschaut. Ein Flieger-Rennen über 1609 Meter, bei dem die ersten Zwischenzeiten bei 1:14,6 und 1:20,4 liegen, spottet eigentlich seinem Namen. Rudi Haller durfte mit Windhund die Fahrt lange Zeit herausnehmen und war, als es endlich richtig losging, trotzdem sofort in Nöten. Im hin- und herwogenden Finish schien erst Horeau, dann Frosted, auf den letzten 100 Metern Nashua die besten Karten zu haben - bis aus dritter Innenposition plötzlich und unerwartet I’ll be there und Rob de Vlieger da waren und mittenmang zum knappen Erfolg vor Nashua durchstießen.

Zauni sorgt für Gänsehaut

Im Vorjahr vermochte Ronja Walter ihren Sieg mit Zauni im Monté-Derby, das sich Mariendorf 2013 zum 100. Geburtstag gegönnt hatte, kaum zu fassen. Diesmal legte das Dream-Team für 21:10 los, wurde dieser Wertschätzung vollauf gerecht und lieferte eine Vorstellung ab, die schlichtweg galaktisch war. Am Ende eines denkwürdigen Trabreitens gelang dem sechsjährigen Hengst, der nur noch unterm Sattel antritt, nicht nur die Titelverteidigung: Mit irren 1:11,5, was auch der anfänglichen Hetzjagd Tosca Victorys zu danken war, der nach einer Runde als Hase stehend KO ging, stellte Deutschlands Traber des Jahres 2018 einen neuen Monté-Bahnrekord auf (der nur 0,3 Sekunden über dem „gefahrenen“ von Fridericus liegt) und war zugleich schnell wie kein Satteltraber zuvor auf deutschem Boden. Dass das Duo dennoch bis zum Zielstrich gefordert wurde, lag an Hambo Transs R, der wie eine Klette an ihm klebte und sich lediglich um eine Länge geschlagen gab. „Die vielen Reisen und Schlachten in Frankreich steckten ihm im Frühjahr doch etwas in den Knochen. Sechs Wochen Rennpause haben ihm die Freude am Laufen wiedergegeben. Das war schon zuletzt beim Sieg in Wolvega deutlich sichtbar“, strahlte Trainer Manfred Walter von einem Ohr zum anderen.

Das Match der Oldies, jener Steuermänner, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, ging an Gerhard Biendl, der Rilana mit dem ersten Schritt souverän um die Runden führte. „Sie war mit dieser Aufgabe besser bedient als mit dem ebenfalls möglichen Stuten-Derby-Trostlauf“, kommentierte der x-fache Bayern-Champ. Für Berlin holte Manfred Zwiener mit der fein spurtenden Estrella AV den Ehrenplatz gegen den innen geschonten Ijsvink.

Mit sieggewohnten Kandidaten nur so gespickt war das Gottlieb-Jauß-Memorial, mit dem Mariendorf seinem am 12. Juli 1999 tödlich verunglückten 16fachen Fahrerchampion ein Denkmal gesetzt hat, und das an einen echten Krieger ging: Massai parkte neben Kentucky Bo, der mächtig hatte kurbeln müssen, um gegen Big Boss As, Rebound und P.S.Confess ins Kommando zu gelangen, nahm sich an der letzten Ecke den Wieserhofer kräftig zur Brust und hatte noch so viel Pep intus, dass er sich in erstklassigen 1:12,9 Cachamour, Arendelle, Hector Boko und Osoma locker vom Leib hielt. „Endlich zeigt er auf Dauer, was er früher versprochen und nur hin und wieder angedeutet hat“, war Tom Kooymans Kurzkommentar.

Mit einem fetzigen Endkampf im zweiten Luxus-Handicap des Meetings wurden die Fans auf einen grandiosen Renntag maßgerecht eingestimmt. Lange schien die ungemein gehfreudige Ghislaine nach ihrem Blitzstart einem einsamen Triumph entgegen zu streben. Die Rechnung war jedoch ohne Wirt Longhire gemacht, der in der „Todeslage“ sehr lebendig wirkte, sich die Stute auf den letzten Metern griff und einen sehr zufriedenen Kornelius Kluth in den Winner Circle beförderte. Danach sollte eigentlich Michael Nimczyk mit King of Times sein Terrain abstecken, denn nach der bombastischen 1:15,7-Quali in Mönchengladbach wurde der großgewachsene Hengst zur Premiere als 16:10-Favorit aufgezogen. Keine Chance hatte er jedoch gegen einen French Kiss HR, mit dem Cees Kamminga sofort in Front bretterte und einen 1:15,3-Tempolauf vom Feinsten hinlegte.

Richtig fit präsentierten sich im Rennen für den Fahrernachwuchs Preben Sövik und Slimfit. Aus dem dritten Paar außen nach einer Runde in dritte Spur in Marsch gesetzt, hielt der Timoko-Sohn mit dem in Südschweden bei Ola Samuelsson in die Lehre gehenden 29jährigen den weiten Transport prima durch und war durch Sophia Raschat und So Keck nicht mehr zu erschüttern. Auch die Amateure durften noch mal ran. Die zügigere Startphase entschied zugunsten von La Ballade und Dr. Marie Lindinger, die aufpasste, dass hinter ihr Fitforfun nicht aus dem Schwitzkasten kam und, durch die außen trabende French Kiss zur Tatenlosigkeit verdammt, mit Platz drei abgespeist wurde.

Fort setzte sich das Wechselspiel der Lasbek-Traber, die mal im Sturmlauf die Welt erobern und dann unerklärliche Schwächen zeigen. Die bereits vor 14 Tagen siegreiche Naama spazierte, nachdem sie das Handicap der zweiten Startreihe bestens gelöst hatte, ab Beginn der Tribünengeraden in beeindruckendem Stil vorneweg. „Wir haben etwas an der Zäumung geändert. Damit ist sie viel konzentrierter. In dieser Verfassung ist sie noch für ein paar Siege gut“, war Josef Franzls Statement.

Der Abgesang gebührte den mittlerweile unvermeidlichen Franzosen-Trabern, bei denen sich Anne Lehmann über einen Doppelschlag freuen durfte, nachdem Astasa du Vivier nach ständiger Führung über 2500 Meter am Ende ein wenig die Luft ausging. Ohne Überprüfung ging’s allerdings nicht, denn im Kampf mit der plötzlich innen wie auf Schienen herandüsenden Stallkameradin City du Saptel blieb sie mit Dream Gibus hauchzart im Vorteil, doch musste erst geklärt werden, ob sie nicht zu deren Ungunsten die Fahrspur nach unten verändert hatte.

Deutlich übertroffen wurde das vorjährige Umsatzergebnis. Insgesamt 34.000 Euro mehr bzw. ein Plus von 2.500 Euro pro Rennen flossen bei erstklassigem Rennbahnwetter durch die Kassen.

Umsatz bei 14 Rennen: 507.813,- Euro (incl. 241.186,95 Euro Außenumsatz)

Quelle: Berliner Trabrenn-Verein (BTV)