Trab: Rückschau auf den 4. und 5. Tag der Derby-Woche

Freitag, 2. August 2019 - 5. Tag des Derby-Meetings

Holländisches „Meisje“ düpiert die Favoritinnen

Ilja Medo setzte sich als Außenseiterin mit Fahrer Hugo Langeweg im Bruno-Cassirer-Rennen durch (Foto:©Marius Schwarz)

Die von Hugo Langeweg jun. gesteuerte Stute Ilja Medo gewinnt das als „Wettstar by PMU – Trophy“ gelaufene Bruno-Cassirer-Rennen. Das Duell zwischen Michael Nimczyk und Jörgen Sjunnesson endet 4:4 – Errakis mit dem dritten Meeting-Sieg – Sarah Kube gewinnt den Derby-Pokal der Amateure.

Mittelpunkt des Abendprogramms, das nach anfänglichen Regengüssen unter trockenen und bis Einbruch der Dunkelheit sonnigen Bedingungen fortgeführt werden konnte, war die sich an Stuten bis 20.000 Euro Gewinnsumme richtende Wettstar by PMU-Trophy - um mal mit dem Künstler Prince zu sprechen „formerly known as“ Bruno-Cassirer-Rennen, mit dem seit langem Mariendorfs erstem Retter (1913) und langjährigem Präsidenten (bis 1933) gedacht wurde.

Schon der Vorlauf für die „armen Girls“, jene bis maximal 8.000 Euro Gewinnsumme, hatte es in sich. „Sie kann laufen, wo Sand ist und wird gewinnen“, hatte Woodbrown Beautys Züchter, Besitzer und Trainer Frank Ostermann klipp und klar vorab kundgetan, und sein „Verwandler“ Jörgen Sjunnesson und die fünfjährige Goetmals-Wood-Tochter hielten Wort. Start-Ziel war das Gespann eine Macht, legte enormes Tempo vor und erstickte alle Angriffsversuche rabiat im Keim. Am besten vom Rest hielt sich Cora Sun, die einen gewaltigen Abstand zur durch einen „Platten“ gehandicapten Dritten Ida F Boko und den übrigen Finalistinnen Gingerbell und Uptoheaven Diamant hatte.

Genau so kernig verlief Qualifier 2, in dem Lucky Lady Blue unterstrich, dass ihr Triumph am 21. Juli über So Keck und Hannah Hazelaar keine Eintagsfliege bleiben sollte. Ausgangs der ersten Kurve in Front gezogen, ließ Hannu Voutilainen bald den mit Super Pro „dauerfeuernden“ Gerd Biendl vorbei, der die stramme Fahrt voll durchzog. Das stellte die hinteren Chargen, zu denen Hannah Hazelaar und die für 2.500 Euro nachgenannte Favoritin Zante Grif zählte, vor unüberwindliche Probleme. Die Italienerin signalisierte in dritter Schlussbogenspur erste Nöte und sprang schließlich im Bemühen, wenigstens das Finale zu erreichen, das brave TraberParti-Girl ließ mal wieder jenes Fitzelchen Spritzigkeit vermissen, das auf diesem Level notwendig ist, und eine ernüchterte Besitzergemeinschaft zurück. Anders Lucky Lady Blue, die ratzfatz auf der sicheren Seite war und in tollen 1:13,3 2½ Längen vor ihrem Schatten Ilja Medo, der aus der äußeren Deckung zuschlagenden C’est La Vie C, Super Pro und Queen for a Day durchs Ziel flitzte.

Im 20.000 Euro wertvollen Finale verpasste Ilja Medo, einzig derentwegen Hugo Langeweg junior angereist war, ihrem Trainer Marcel Hauber ein Déjà-vu-Erlebnis: 2018 hatte für ihn Jaap van Rijn mit der inzwischen hierzulande wohlbekannten Gian Luca Pasel die 10.000 Euro Siegprämie eingerannt. Nun folgte ihr die Muscle-Mass-Tochter auf dem Thron. Hollands vielfacher Champion brachte das holländische Meisje blendend aus dem zweiten Band hinter Super Pro unter, die an der 2020-Meter-Startmarke als Einzige noch fetziger in die Hufe kam, und lauerte an der Innenkante mucksmäuschenstill auf ihre Chance. Die kam, als erst Cora Sun beim Angriffsversuch in der letzten Biege aus dem Takt geriet und der teils mit fünf Längen führenden Woodbrown Beauty, deren Kräfte Jörgen Sjunnesson beim zweiten Mal wohl etwas überschätzt hatte, ganz sachte die Luft ausging. Schien es zunächst, als presche Gerd Biendls Super Pro mit Hurra zum Sieg, so konnte es aus ihrem Windschatten Ilja Medo noch eine ganze Ecke besser. Wuchtig ließ die Braune mit der langen, breiten Blesse ihre Kontrahentin um 1½ Längen rechterhand liegen und feierte den bedeutendsten Erfolg der Karriere. Deutlich hinter Super Pro wurde Woodbrown Beauty auch von Lucky Lady Blue und Queen for a Day eingesammelt, so dass die ersten vier Prämien allesamt an mit 20 Meter Zulage bedachte Ladys gingen. „Zum ersten Mal hat Marcel sie mit Zugwatte ausstaffiert - das hat prächtig hingehauen“, strahlte der 35jährige „Junior“, „ausgangs des Schlussbogens war ich mir meiner Sache ziemlich sicher, obwohl Super Pro dort noch stramm unterwegs war. Heute abend wird bei der Strohballen-Party kräftig gefeiert.“

Mächtig nasse Füße bekamen die acht Trotteurs Français, deren Auftaktprüfung von kräftigen Regengüssen begleitet wurde. Das machte Favorit Fighter Pilot wenig aus, den Mykola Volf durch die Todesspur schickte und der den Versuch Diego du Bellays, aus dem Fahrwasser von Tempomacher Elixir d’Andain abzustauben, mit letztem Einsatz zum Scheitern verurteilte. Gut abgetrocknet war die Pferde-Avus dann, als die 13 „ärmeren“ Franzosen-Traber zum Kehraus der V7+-Wette antraten. Die beiden Favoriten Fanny Hill und Errakis ließen sich weder durch eine zehnminütige Verzögerung wegen „Geschirrarbeiten“ noch einen Fehlstart aus der Façon bringen. Von der „8“ brachte Nimczyk Fanny Hill fliegend ab, aber auch Jörgen Sjunnesson hatte den diffizilen Errakis von der „13“ auf dem richtigen Fuß erwischt, fand eine exquisite Passage durch die vor ihm beginnenden Kandidaten, knöpfte der Un-Mec-d’Héripré-Tochter für die Schlussrunde die Spitze ab und hielt die Pace fortan enorm hoch. Einzig Fanny Hill und Eternity de Ginaï vermochten ihm auf den Fersen zu bleiben, und die tapfere Fanny Hill inszenierte gar einen tollen Angriff. Die beiden Fahrer des Abends boten ein begeisterndes Finish, an dessen Ende Errakis mit „Hals“-Vorsprung seinen dritten Meeting-Sieg in der Scheuer hatte und Sjunnesson zum 4:4 gegen Deutschlands Spitzenreiter ausglich.

Die erste saftige Überraschung ließ nur bis zum 2. Rennen auf sich warten. Beim Total-Ausfall der Gemeinten Quick Winner, der schon vor dem Ab galoppierte, und dem nach einer Runde mit Atemproblemen angehaltenen Oscar L.A. nutzte Catchdriver Jörgen Sjunnesson die „Kistenfahrt“ mit Iban Beuckenswyk, schlug aus der Deckung hinter Taktgeber Jeremy Dragon kurz und trocken zu und verschaffte dem Wallach beim zehnten Auftritt die erste Siegerschleife seines Lebens. Der Totalisator notierte den zweiten Sieg-Fall des Abends mit 599:10. Auch die zweite Fuhre als Ersatzmann für Manfred Walter verwandelte der Catchdriver aus Schwedens Süden, der sich in Berlin längst einen prominenten Namen gemacht hat. In einem Vier- und Fünfjährigen-Vergleich pochte er mit Caviar’s Dream unerbittlich auf die Führung und hielt den einmal eroberten Vorteil eisern bis ins Ziel gegen die auf ihn eindringenden Heine Attack und Oxidizer fest, an dem sich der innen keine freie Bahn findende Uno per te Diamant hauchdünn vorbeischob. Zwei Starter, dank Sjunnesson zwei Sieger - bei Besitzer Norbert Gehrmann könnte nach diesem traumhaften Abend durchaus Kaviar satt aufgetragen werden.

Bei strahlendem Sonnenschein war im 4. Rennen, dem Pokal der Vier- und Fünfjährigen, endlich „Goldhelm-Zeit“. Zum sechsten Mal bei ebenso vielen Starts nahm sich UBetterWin Diamant seinen Namen schwer zu Herzen; von Michael Nimczyk mit Verve losgelassen, war der Vierjährige, ein Spross des amerikanischen Spitzendeckhengsts Muscle Hill, nach 200 Metern vorn und regelte alles nach Belieben, ohne an Grenzen gehen zu müssen. Genauso leicht fiel dem 33jährigen der nächste Treffer mit Izzi’s Newport; über die Meile brauchte er 300 Meter, um G.G.‘s Victoria aus der Pole Position zu schubsen, schläferte fortan die Konkurrenz ein und setzte sich im Einlauf spielerisch ab. Treffer Nummer drei war mit Nada más fällig, der seinen Namen („nichts mehr“) konterkarierte und „viel mehr“ als alle anderen auf der Pfanne hatte. Aus Startreihe zwei ging’s gemütlich los, nach 400 Metern war’s vorbei mit der dezenten Zurückhaltung. Zügig rückte der Neffe von Derby-Sieger Nu Pagadi und Bruder Comanche Moons im ersten Bogen vor, übernahm 1100 Meter vorm Ziel die Spitze und verabschiedete sich leichtfüßig vom Rest, von dem sich über weite Wege Donna Leone H am effektivsten hielt.

"Goldhelm" Michael Nimczyk strahlte nach dem Derby-Marathon-Pokal im Winners Circle mit Laurel Park (Foto:©Marius Schwarz)

Der nächste Punkt für den gefräßigen Goldhelm war im Derby-Marathon-Pokal über die 1978 letztmals geforderte Derby-Distanz von 3200 Metern fällig, in der die Vorentscheidung trotz der „2½ Runden rum“ nach 500 Metern fiel. Dort wuchtete Nimczyk seinen Laurel Park vor Nico Way an die Spitze, der anschließend als „erster Gänserich“ lange gemütlich dahinschlendern durfte. 1:09,7 für die letzten 400 Metern, dazu ohne Check und rundum barfuß aufgeboten, „womit er sich richtig wohl fühlt“ - da kam keiner mit dem von Jean-Pierre Dubois 2015 gezüchteten Großneffen der Moni Maker auch nur annähernd mit, dem 1:16,4 genügten. „Er ist enorm gereift und hat sich prächtig entwickelt. Läuft alles glatt, steht er vor einer bemerkenswerten Zukunft“, resümierte Nimczyk für den Benjamin des Feldes, der gerade 16 Starts auf dem braunen Buckel hat.

Beim einzigen Programmpunkt für die Amateure, dem achten und letzten Lauf des Derby-Pokals der Amateure, flutschte es für den frischgebackenen internationalen Amateurmeister Andre Pögel wie auf Öl. Trat er mit Perfect Hall die Spitze zunächst an William Scott ab, so holte er sie sich nach 600 Metern zurück, hielt die Pace durchweg hoch und verurteilte den Umsturzversuch seines Schattens locker zum Scheitern. Zum Gesamtsieg reichte es jedoch nicht. Den holte sich Sarah Kube mit 41 Zählern vor Ande Pögel (29) und Dr. Marie Lindinger, die einen Strich weniger auf dem Kerbholz hatte.

Wie stets gilt der letzte Blick dem Totokassen: Bei 13 Rennen flossen 2018 15.000 Euro mehr durch die Kassen. Allerdings dürften damals vier nach Frankreich übertragene und über die PMU zu bewettende Prüfungen einiges an Umsatz abgezogen haben, so dass das 2019er Plus pro Rennen von knapp 1.000 Euro mit Vorsicht zu interpretieren ist.

Umsatz bei 12 Rennen: 330.442,33 Euro (incl. 184.452,28 Euro Außenumsatz)


Donnerstag, 1. August 2019 - 4. Tag des Derby-Meetings

Yen zweimal hoch im Kurs

André Pögel und Yen gewannen die Internationale Meisterschaft der Amateure (Foto:©Marius Schwarz)

Die Stute gewinnt mit André Pögel Vorlauf und Finale der Internationalen Derby-Meisterschaft der Amateure und sorgt so für ein tolles Geburtstagsgeschenk für Karin Walter-Mommert. Der Shootingstar-Cup geht an den Lasbeker Hengst Naheed und seinen Trainer Josef Franzl. Viermal Michael Nimczyk – Louisa „für Berlin“

Der vierte Tag des Meetings ist seit je her der Tag der Amateure, die vier der zwölf Prüfungen vor der Brust hatten. Die „Aufwärmübung“ vor der 1997 ins Leben gerufenen Internationalen Derby-Meisterschaft der Amateure holten sich wie bei 18:10 erwartet Fionaro und Sarah Kube, die sofort nach dem „Ab“ das Zepter vor Bonanomi CG in die Hand nahmen. Ein Walkover wurde es jedoch nicht, denn auf der Zielgeraden setzte die Bayerin dem Berliner hartnäckig zu, der sich hauchdünn ins Ziel rettete.

Im mit 25.000 Euro höchst dotierten Amateurfahren der Republik hingegen stand die Form Kopf. Der Sieg Volare Gars im chronologisch gesehen ersten und nach Ausschreibung 2. Vorlauf für 3,9fachen Sieg-Einsatz war zunächst alles andere denn eine Überraschung. Ein kleines Kuddelmuddel, das die in zweiter Spur galoppierende Opalis im ersten Bogen auslöste und dessen Leidtragender der außen neben ihr postierte Baxter Hill war, nutzte Thomas Maaßen konsequent, um den Fuchs aus der inneren Falle zu bugsieren. Auf ein Führpferd hatte Super Queen C bzw. Leonie Kalis ohnehin gewartet - nun war‘s eben nicht wie gedacht Baxter Hill, der durch die Todesspur ackern musste, sondern der seit Monaten die exquisite Form haltende Wallach des Stalles Habo. Mit dem ließ sich Deutschlands Amateurchampion die Butter nicht vom Brot kratzen und gewann mit angezogener Handbremse vor der außen fliegenden Gian Luca Pasel, Super Queen C, Baxter Hill und Hedy Beuckenswyk.

Zwei stolze Serien rissen unmittelbar darauf in Vorlauf 1. Neunmal in Folge war Very Special One nicht zu boxen gewesen, doch entpuppte sich Startplatz „1“ als Gift für den Hengst, den man nach den öffentlich kolportierten Transportproblemen von Seiten des Veranstalter zum Schutz der Wetter ruhig hätte ohne Wetten laufen lassen können. Als innerer Dritter hinter Co-Favorit Provenzano und dem wie ein Pfeil in Front geflogenen Hercules Petnic, der die Fahrt enorm drosselte, waren ihm (zu) lange die Hufe gebunden. Als endlich ganz weit außen die Ampel auf Grün sprang, waren die ersten beiden Plätze fast schon vergeben. Wie Peter Platzers Main-Wise-As-Sohn „j.w.d.“ die Beine in die Hand nahm und bis auf eine halbe Länge heranbrauste, war genauso großes Kino, wie Yen aus der Deckung kämpfte wie eine Löwin und für 25,3faches Aufgeld den vom Fleck weg führenden Hercules Petnic in die Knie zwang. Auch dahinter setzte es eine kleine Überraschung, denn Provenzano konnte seine sechsfache Siegesserie nie recht bestätigen und erreichte hinter Indira OE als Fünfter gerade so den Endlauf, den Yen erneut als ziemlich unbeachtete Außenseiterin in Angriff nahm.

„Ich fand die beiden Vorstellungen nach der mehr als einjährigen verletzungsbedingten Pause, nach denen Yen schon abgesungen worden war, nicht so schlecht“, konstatierte Andre Pögel nach dem Vorlauf, „von Startplatz ‚9‘ war die Defensiv-Taktik ohnehin zwingend vorgegeben, und die hat ihr sehr geschmeckt.“ Allein, dem Wettvolk fehlte der wahre Glaube, die auf dem Gestüt Westerau des Dr. Friedrich Gentz zur Welt gekommene große Schwester des im Derby-Trostlauf startenden ManU könne im Finale noch einmal solch einen Husarenritt hinlegen, und schickte sie für 216:10 los. Konnte sie aber doch - und wie! Im ersten Bogen übernahm die blendend aus dem Band gekommene Tochter von Hambletonian-Sieger Scarlet Knight das Sagen vor Hercules Petnic, während Volare Gar gemeinsam mit Hedy Beuckenswyk alle Chancen am Start verstolperte, und konnte ziemlich unbedrängt ihren Stiefel durchziehen.

Erstes Stirnrunzeln bei den Wettern, als Peter Platzer mit dem auf utopische 10:10 heruntergehandelten Very Special One in der Todeslage 600 Meter vorm Ziel erstmals nachfassen musste, derweil für Yen die Aktien bis ins Ziel extrem hoch standen. Ganz leicht setzte sie sich zum siebenten Sieg aus gerade mal 19 Starts ab, der ihr Konto auf 32.330 Euro pushte, und bescherte dem Hufschmied seinen zweiten Erfolg in diesem Klassiker: Schon 2002 hatte er mit Speed of Shogun das heißeste Eisen im Feuer gehabt. Aus der Meute der Genasführten hielt Hercules Petnic den Ehrenplatz eisern gegen Very Special One und die lediglich einen Hauch zu spät kommende Gian Luca Pasel fest. Nie den rechten Zugriff auf die vorderen Matadore hatte trotz zweier Zugpferde Baxter Hill, der die letzte Prämie einstrich.

Großer Bahnhof und Küsschen für Pferd und Fahrer von Geburtstagskind Karin Walter-Mommert, der „Mutter der Kompanie“ der Mommert-Pferde, die sich kein schöneres sportliches Geschenk vorstellen konnte und spontan den Ertrag ihrer 20-Euro-Siegwette der Kinderkrebshilfe spendete.

Andre Pögels Dank galt „Familie Mommert, die mir das Vertrauen geschenkt hat, Yen nach der langen Pause zu steuern, sowie Thomas Holtermann und seinem Team, die einen fantastischen Job gemacht und Yen trotz der vielen und langen Unterbrechungen zurück auf einstige Höhen geführt haben. Aus im Grunde fast zwei Jahren Pause gelingt nur den Wenigsten ein derartiges Comeback.“

Der Shootingstar kommt aus Lasbek

Der zum zweiten Mal seit seiner Gründung 1997 ohne Vorläufe entschiedene Shootingstar-Cup wurde zum Schaulaufen des Lasbekers Naheed, der mit dem Pfund dreier souveräner Hamburger Saisonerfolge angereist war und die Flüsterpropaganda, er gehe rechtsherum noch einen Tick stärker, „aufm Platz“ gnadenlos unterstrich. Dabei lief’s anders als von Josef Franzl geplant, denn der mächtige Sohn des amerikanischen Super-Vererbers Muscle Hill kam an Tempomacher L’Amicus einfach nicht vorbei und bolzte den Großteil des Wegs mit der Nase im Wind durch die Außenspur. Beim fünften Start „lifetime“ gegen viel erfahrenere Kontrahenten ein nicht unerhebliches Risiko, das der Vierjährige auf die leichte Schulter nahm. Er zerlegte den Leader und gab derart entschlossen Fersengeld, dass auch die übrige Konkurrenz um die besseren Plätze in Form von Ignacio und I can steel nur das staunende Nachsehen hatte. „Weil ich nicht wie gedacht in Front kam, musste er außen rum. Er ist ein enorm starker Bursche, der seinen Weg machen wird und aufgrund seiner Größe sicher noch ein wenig Zeit zur Entwicklung braucht. Ich denke, er ist im nächsten Jahr richtig gut“, gab Lasbeks Gestütstrainer einen Vorgeschmack auf die hoffungsvolle Zukunft Naheeds, der Shootingstar-Vorbilder wie Indio Corner, mit dem sich Franzl erstmals auf der Siegerliste verewigt hat, Celebrate Light, Celestial Dreams, Arc de Triomphe, Indio Corner, Out of the Slums hat.

Mit 30 Kandidaten stark nachgefragt war die Zweitauflage des Handicap de Luxe, dessen 1. Vorlauf Start-Ziel von der an Startplatz „8“ mit vollen Segeln lospreschenden Ghislaine dominiert wurde. Michael Nimczyk konnte unterwegs die Fahrt enorm drosseln, so dass die kapitale Stute genug Reserven hatte, sich den über die dritte Schlussbogenspur heran raufenden Longhire knapp, aber sicher vom Leib zu halten. In Abteilung 1 des 2. Vorlaufs vermochte Taj Mahal Diamant den ersten harschen Angriff Escudos auf die Spitze 300 Meter lang abzuwehren, bis Robbin Bot ein Einsehen hatte und den Wallach dahinter einparkte. Im Einlauf behielt der Diamond-Way-Sohn dann doch nach langem Gerangel deutlich vor dem Rest, von dem Kleiner Donner den Handicap-Spezialisten Campione um Platz drei düpierte, um eine halbe Länge die Oberhand.

Abteilung 2 wurde von den beim „Ab“ galoppierenden Ring the Bell und Obsession Eden gründlich durchgeschüttelt. Aus Startreihe zwei fand Thomas Panschow für Louisa eine tolle Passage und parkte sie im ersten Bogen als innere Zweite ein. Mitte der Überseite nach außen beordert, nahm sich die fest auf der Derby-Bahn stationierte „gute Louise“ die führende Senorita Diamant zur Brust und marschierte im Einlauf auf und davon - „Bestätigung wie Belohnung dafür, dass sie kaum einen Mariendorfer Renntag auslässt und fast immer gegen viel stärkere Pferde in den Ring steigt“, wie Quotenschreck Thomas Panschow berichtete, der sich mit der nicht immer ganz einfach zu handhabenden Stute prima eingefummelt hat.

Vier Schleifen für den Goldhelm

„Auf der Demo“ war im Rennen der Gewinnarmen Cruzado, der aus Startreihe zwei wie ein Messer durch weiche Butter durchs Feld schnitt und in der ersten Kurve auf dem Regiestuhl saß. Dort schlug Michael Nimczyk mit dem Timoko-Sohn nach zwei sehr langsamen Abschnitten für die finalen 500 Meter einen Takt an, dem niemand auch nur annähernd gewachsen war. Wie auf der Parade spazierte der Braune turmhoch überlegen zum ersten und sicher nicht letzten Erfolg seiner gerade erst begonnenen Karriere. Die Hoffnungen der „Königswetter“ waren bereits in der 3. Runde passé, als Manfred Zwiener mit 348:10-Außenseiter Cognac Simoni aus der Deckung den entscheidenden Schnaps spritziger ging als die fürs Tempo zuständige Vorderfrau Flatrate AV.
Nach zahlreichen „Longshots“ gab’s zunächst in der Mamma-Mia-Trophy eine Dreierwette zum Abschreiben von der Quotentafel. Start-Ziel aufs Ganze ging Rudi Haller mit Pompano Julian, übernahm im ersten Bogen das Kommando und hielt das Tempo durchweg so hoch, dass Stradivari ebenso wenig zur Attacke schreiten konnte wie der durchweg hinter dem Juliano-Star-Sohn liegende Candyman Hornline. Dass Michael Nimczyk dennoch zum dritten Mal im Winner Circle vorstellig werden sollte, lag an der nachträglichen Herausnahme Pompano Julians, der bei der Kommandoübernahme im ersten Bogen Little Danny über den Senkel gefahren war.
Sieg Nummer vier, zugleich den neunten Streich im Meeting, bescherte dem amtierenden deutschen Champion im unvermeidlichen Match der Franzosen-Traber Birdy de Neuilly. Der Crack der in letzter Zeit kräftig investierenden Anne Lehmann ließ sich über den langen 2500-Meter-Kanten weder von 20 Meter Zulage noch der Todesspur für die letzte Runde schrecken und war längst im sicheren Hafen, als die ewig eingesperrte Erha d‘Antan endlich frei und auf Touren kam.

Zufrieden dürfte der Veranstalter bei Kassensturz gewesen sein: Mit „4,5 Mille Plus“ gegenüber 2018 stoppte der wegen der elftägigen Unterbrechung des Meetings vorab nicht unerwartete Abwärtstrend der ersten drei, fast schon in graue Vorzeit entschwundenen Tage. Und weil wiederum niemand alle sieben Sieger der V7+-Wette zu prognostizieren vermochte, wurde ein neuer Jackpot von 8.763,31 Euro generiert, der für eine der nächsten Königsdisziplinen des Wettens den Rubel, der in „modern times“ ein Euro ist, weiter kräftig rollen lassen wird.

Umsatz bei 12 Rennen: 307.265,37 Euro (incl. 188.444,92 Euro Außenumsatz)

Quelle: Berliner Trabrenn-Verein (BTV)