Trab: Große Rückschau auf’s Derby-Meeting, Tage 1 – 3

Sonntag, 21. Juli 2019 - 3. Tag des Derby-Meetings

Vorläufe zum 124. Traber-Derby: Drei der vier Gesetzten straucheln

Beeindruckend: Juan Bros mit Fahrer Alessandro Gocciadoro (Foto: ©www.lingk.com)

Juan Bros auf der Demo – River Flow fließt am schnellsten – Alles „Oranje“ im Auktionsrennen – Napsters Monté-Debüt verblüfft selbst den Trainer

Es ist angerichtet für das höchstdotierte deutsche Trabrennen des Jahres, das in zwei Wochen zum 124. Mal ausgetragene Derby. Wie tags zuvor bei den Stuten kannten die in den vier Vorläufen gesetzten der 34 eingeschriebenen Hengste und Wallache - eine Stute wagte sich heuer nicht gegen das starke Geschlecht - wenig Erbarmen mit dem Gremium des Veranstalters: Otero purzelte über die Todesspur als Fünfter aus dem Finale, Gladiateur flog in der ersten Kurve im Galopp aus selbiger und damit aus dem Endlauf, und auch Jason Dragons Griff nach der Derby-Krone hing nach einem Startaussetzer am seidenen Faden. Ohne den späten Patzer Ornellos wäre die Finalteilnahme des „Drachen“ kaum zustande gekommen, wobei genau jener die Rennleitung der kniffligen Entscheidung enthob, ihn im Nachgang zurücksetzen oder gar disqualifizieren zu müssen: Marc Elias hatte sich in der ersten Kurve wenig gentlemanlike vor Piet de Wit an die Innenkante gequetscht und den Rivalen dabei zum Galopp genötigt. Es war das einzige grobe Foul der ausufernden 14-Rennen-Karte, das die Stewards mit 500 Euro Geldbuße und 7 Tagen „Zuschauen“ maßgerecht würzten.

Jene, die für die Gemeinten in die Bresche sprangen - wobei die Setzliste wie üblich streng nach den in wichtigen Vorprüfungen gezeigten Resultaten erstellt wurde -, setzten andererseits deutliche Duftmarken. 170:10-Überraschungsgast River Flow erledigte mit 1:13,1 die Pflicht von allen Aspiranten am zügigsten, Juan Bros mit einem unnachahmlichen Sturmlauf, bei dem der Rest um „zwei Weilen“ oder rund 40 Metern kräftig zerzaust wurde, mit dem größten Vorsprung, was fürs Finale grande noch lange kein Freifahrtschein zu ähnlichen Heldentaten ist. Velten von Flevo war mit 1:14,6 der langsamste der Vorlauf-Sieger, was nicht bedeuten muss, dass er für den 4. August um „kurz nach Fünfe“ auch die meisten Körner sparen konnte. Juan Les Pins, der kleine Bruder der unvergessenen Derby-Sieger Unforgettable und Expo Express, war der Einzige, der als Gesetzter und Favorit des Wettvolks die Erwartungen erfüllte - und dies in bestechender Manier.

Mit einem Paukenschlag begann der Vorlauf-Reigen, denn der gesetzte und selbst für den Derby-Sieg im Vorfeld hoch gehandelte Otero war nach einem Run durch die Todesspur an der letzten Ecke gründlich rasiert und wurde mit Ach und Krach Fünfter. Doch auch sein vermeintlich größter Gegenspieler Jaxon Schermer, mit dem sich Michael Nimczyk von River Flow Mitte der ersten Kurve die Führung krallte, kam im Einlauf für keinen der beiden besten Plätze in Frage, obwohl der Varenne-Sohn wie gewünscht frei von der Leber weg marschieren durfte. „Aus der Kiste“ waren River Flow und Thorsten Tietz, die mit 1:13,1 den ersten, nicht mehr übertroffenen Maßstab setzten, ebenso stärker wie der in dessen Fahrwasser gelegene Rancoon, so dass die Bayern-Fraktion eins/zwei war.

Zumindest beim gesetzten 14:10-Favoriten Juan Les Pins stand in Qualifier 2, in dem drei der lediglich sieben Kandidaten das erste Klassenziel „durchgehender Trab“ nicht erreichten und mit roten Karten ausgemustert wurden, die Form 1a. Mit dem Schützling Arnold Mollemas konnte es sich Jaap van Rijn sogar leisten, 1100 Meter vorm Ziel die Führung an Gangster abzutreten und dahinter der Dinge zu harren, die vielleicht kommen sollten. Kamen sie aber bis 600 Meter vorm Ziel, als sich Hollands Nachwuchsstar nach außen orientierte, nicht. Der Rest war ein Kinderspiel für den Schwarzbraunen, „der noch recht unerfahren ist und mit jedem Start gewaltig dazu lernt. Er kann mal ein richtig Guter werden“, wie van Rijn befand. Leichtfüßig flitzte er in 1:13,3 1½ Längen vor Jackpot of Steel und Gangster durchs Ziel. Als Vierter war ManU zugleich Letzter.

Realität wurde in Vorlauf 3, was die Kiebitze aus Italien über Juan Bros zu berichten wussten, der, obwohl nicht gesetzt, bei 16:10 „wie Wasser“ gehandelt wurde. Alessandro Gocciadoro, der nur mit extrem chancenreichen Kandidaten auf Reisen geht, stellte ihn und sich erstmals in Deutschland vor - und das ungemein beeindruckend. 500 Meter leistete Roland Hülskath mit Orkan von Haithabu Widerstand, dann ließ er den wie aus dem Ei gepellt daherkommenden Muscle-Mass-Sohn vorbei, mit dem „Alex“ auf den finalen 800 Metern zur Solo-Show anhob. In Windeseile vergrößerte sich der Vorsprung und betrug am Zielstrich, den er in 1:13,4 erreichte, gepflegte 40 Meter vor Real Perfect, der den Windschatten Orkan von Haithabus trefflich nutzte. Dem Europabummler ging für Platz zwei etwas die Luft aus, als dritter Finalist war er jedoch ungefährdet. Eines gab Gocciadoro, Herr über rund 120 Traber, bei der stürmischen Siegerehrung den Besuchern mit auf den Weg: „In 14 Tagen holen wir uns das Blaue Band.“ Der gesetzte Gladiateur war im ersten Bogen aus dem Takt geraten.

Auch im 4. Qualifier hatte der Veranstalter mit seiner Setzliste wenig Glück, denn Jason Dragon begann im Galopp, was ihn 30 Meter und eine gute Rennlage kostete. Robin Bakker kam mit dem Bot-Schützling lediglich im dritten Paar außen unter. Wie am Samstag bei den Ladys präsentierte sich Rick Ebbinge in weltmeisterlicher Form, hielt mit Velten von Flevo an der „1“ die Pole Position eisern fest und durfte zwei extrem langsame Abschnitte vorlegen. Fast selbstverständlich hatte der Dunkelbraune von Eishockey-Legende Bernie Johnston auf den finalen 600 Metern so viele Reserven, dass er sich in 1:14,6 überlegen auf 2½ Längen abzusetzen vermochte. Endgültig in trockenen Tüchern war der Sieg des Hamburger Winterfavoriten, als sich Ornello im Bemühen, ihn vom Sockel zu stoßen, 100 Meter vorm Ziel überging und wie Caprioso disqualifiziert wurde. Den Ausfall dieses Duos nutzten Place Royal und Jason Dragon, für den nach dem anfänglichen Lapsus das Erreichen des Endlaufs oberste Maxime war, zu den Rängen zwei und drei. Flüsterfavorit Jambers ging in der Todesspur unter.

"Oranje boven" im Vierjährigen-Auktionsrennen

Fest in niederländischer Hand war das erstmals ausgetragene Equine-Auktionsrennen um 30.000 Euro für all jene Vierjährigen, die bei der Derby-Jährlingsauktion 2016 in den Ring gekommen waren. Von den in Nordeuropa und Frankreich gestählten Officer Stephen, Very Impressive S und Great Gatsby As erschwerte sich der „beeindruckende“ Hengst Cees Kammingas die Aufgabe durch einen Fehler beim Beschleunigen des Startautos, wogegen der Officer sofort die Kontrolle übernahm und der aus der zweiten Startreihe blendend durchs vordere Getümmel schneidende Great Gatsby As im ersten Bogen den Platz in seinem Windschatten ergatterte. Dort blieb Robin Bakker bei extrem gemächlichem Tempo auch liegen, als gegenüber Charmeur Royal und Copernikus die Bude zuzunageln begannen. Als Dion Tesselaar das Tempo für den letzten Abschnitt forcierte, war es um die kecken Underdogs rasch geschehen. In die Suppe spucken ließ sich der mächtige Officer vom passend freikommenden Great Gatsby As nicht mehr, und dahinter reichte es tatsächlich für den speedigen Very Impressive S noch zu Bronze. Den totalen Triumph der Oranjes machte mit Saisondebütantin Isabella Boshoeve Tesselaars zweite Waffe perfekt.

Zum Auftakt, dem Finale des Handicap de Luxe, gab’s wie bei diesem Meeting üblich den Sieg des Favoriten, bei dem allein die Frage war, ob er den Bänderstart ohne Fehl und Tadel hinbekommen würde. Errakis begann zwar vorsichtig, blieb jedoch im Takt und kreuzte bald schon an der Flanke Goofy Wans auf, den er bis zur letzten Ecke begleitete und sich dann überlegen verabschiedete, ohne dass sich Jörgen Sjunnesson auch nur einmal Sorgen machen musste. Der in Berlin immer prominenter auftrumpfende schwedische Profi scheint den in Frankreich überwiegend durch Galoppaden aufgefallenen Widerspenstigen gemeinsam mit Olaf Schröder allmählich gezähmt zu haben.

Das Rennen der Gewinnarmen wurde eine sichere Beute von San Pardo und Dennis Spangenberg, die Tempomacher Joule VS knackten, dem letzten Ansturm Ibracadabras widerstanden und bei der dritten gemeinsamen Ausfahrt erstmals im Winner Circle landeten. Einen zweiten Treffer des Nachwuchstrainers verhinderte der Goldhelm. Michael Nimczyk knöpfte ihm mit der kleinen Cora Sun im ersten Bogen die Pole Position ab und widerstand dem Endspurt Don’t forget mes mit einem Lächeln.

Nach längerer Durststrecke fuhr die erfolgsgewöhnte Dr. Marie Lindinger endlich wieder zur Siegerehrung vor. In einer knallharten Eröffnung setzte sie sich mit Seriensieger Provenzano gegen die sich in ihren Windschatten verkrümelnde Tessa durch und konnte dem Wallach fortan die Kräfte optimal einteilen. Auf der Zielgeraden zwei, drei Längen voraus, wurde es dennoch höchste Eisenbahn, dass der rettende Hafen in Gestalt der Ziellinie erreicht war, denn mit Riesenspeed kam Realist angestiefelt und lediglich um einen „Hals“ zu spät. Hoch her ging’s im Kommentatoren-Zirkel nach dem zweiten Treffen der Hobbyfahrer, denn Falco, der sich mit Yanick Mollema trotz des letzten Kilometers durch die Todesspur sicher vor Panasonic Diamant und Los Vascos durchsetzte, gehört Hollands Trabrennsport-Experte Nummer eins Hans-Peter Sinnige.

Eine stolze Serie ging in der Monté-Meile für Sattelspezialist Garry zu Ende, der nach sechs Siegen am Stück geboxt wurde. Verantwortlich dafür war Startreihe zwei hinterm Auto, wodurch Ronja Walter die Explosivität ihres Schützlings nicht auszuspielen vermochte und 40 Meter hinter Napster lag, mit dem Lea Ahokas ihr Reiterherz in beide Hände nahm und mit Volldampf auf die 1609 Meter kurze Reise ging. Auf der Überseite schloss Garry die Riesenlücke, was entscheidende Kräfte kostete. Besser als er kam Charm Evening auf Touren und hätte Napster fast noch erwischt, der im Training unterm Sattel gar nicht recht zu überzeugen gewusst hatte, wie Übungsleiter Jochen Holzschuh zu berichten wusste. „Letztlich ist er hier nur gestartet, weil Besitzerin Kirsten Kleinbrahm darauf bestanden hat.“

„Neese“ waren all jene, die sich im Derby-Pokal der Stuten auf ein heißes Duell zwischen So Keck und dem Pferd mit den meisten Besitzern in Deutschland fokussiert hatten. Der Tietz-Stute wie Hannah Hazelaar aus der Besitzergemeinschaft TraberParti drehte Lucky Lady Blue eine lange Nase. Nach einer Runde von Hannu Voutilainen nach vorn beordert, rannte die Fünfjährige, die mit dem richtigen Bein angefangen hatte, den Beiden auf und davon und verbesserte 2½ Längen voraus ihre Bestmarke um eine volle Sekunde auf 1:13,6. Genauso leichtes Spiel hatte am Sommersonntag ein Eisfink: Jaap van Rijn regierte mit Ijsvink Start-Ziel und beließ dem Abano-As-Sohn einige Körner für weitere Auftritte im zweiten Teil des Meetings.

Das Adieu war mal wieder den Franzosen-Trabern vorbehalten, die mit einem bis zur Linie spannenden Finish überzeugten. Durfte Anne Lehmann lange auf den ersten Deutschland-Sieg ihrer Neuerwerbung Dream Gibus hoffen, der Tempomacher Diego du Bellay an der letzten Ecke zerpflückt hatte, so zerstörte die aus dem Hintertreffen mit Robert Pletschacher spät, aber gewaltig nachsetzende Erha d’Antan den Traum der sympathischen Holländerin auf den letzten Metern, und auch Astasia du Vivier, von der man nach ihrem jüngsten Erfolg doch ein bisschen mehr erwartet hatte, hatte eine ordentliche Hand im Spiel.

Umsatz bei 14 Rennen: 359.736,52 Euro (incl. 219.078,57 Euro Außenwette).

Auf der Mariendorfer-Bahn geht es am 1. August ab 16.30 Uhr mit der Internationalen Derby-Meisterschaft der Amateure und dem Shootingstar-Cup weiter.


Samstag, 20. Juli 2019: 2. Tag des Derby-Meetings

Vorläufe zum Stuten-Derby mit Haken und Ösen

Sieg mit Debütantin: Rik Ebbinge steuerte Außenseiterin Velten Isabel in den Winner's Circle (Foto. ©www.lingk.com

Zum Teil mächtig durcheinander geschüttelt wurden in den vier Vorläufen zum in zwei Wochen anstehenden Stuten-Derby die dreijährigen Ladys. Nichts da mit einem blanken Durchmarsch der Gemeinten, von denen drei der gar für einen Platz weit vorn im Arthur-Knauer-Rennen Gehandelten mit dem Trostlauf vorliebnehmen müssen - wenn sie sich denn überhaupt trösten lassen wollen. Für die Ungewissheit des Turfs warben andererseits Siegerinnen wie Velten Isabel (207:10) und Klingande (120) - Sportlerherz, was willst du mehr?

Kräftig auf die Nase fielen bereits im 1. Vorlauf die gemeinten Gespanne. Die ob ihrer furiosen Generalprobe in Örebro auf den Favoritenschild gehobene Gwendoline Go explodierte wie dort mit dem Startschuss, die vom Veranstalter gesetzte Marylin Monroe Bo folgte ihr 50 Meter später an den Sünderturm, und als auch Ganes B in der Todesspur im letzten Bogen schwer schnaufend am Ende ihrer Kräfte war, war einer gewaltigen Überraschung Tür und Tor geöffnet. Es war jedoch nicht die vom ersten Meter führende Gaja, die die Lorbeeren einfuhr. Eine weltmeisterliche Fuhre legte der amtierende World-Champion Rick Ebbinge hin, der die debütierende (!) Velten Isabel als innere Dritte versteckt hatte und auf die ebenfalls meisterlichen Trainingskünste seines kongenialen Partners Jeroen Engwerda vertraute. Als die Ampel für die Muscle-Massive-Tochter auf Grün sprang, nahm sie flugs die Beine in die Hand und raufte sich in 1:14,4 an Gaja vorbei. Als Dritte schaffte die weit außen gebrachte Brightlands den Sprung ins Finale.

„Einmal kurz schütteln und weiter geht’s“, war Michael Nimczyks Devise, der in Elimination 2 mit der gesetzten La Grace gar nichts anbrennen ließ. War Jet Flevo am schnellsten flott, so kam die Muscle-Hill-Tochter bereits im ersten Bogen angestiefelt, durfte gnädig die Führung übernehmen und legte ein Tempo vor, dass allen anderen die Schuhe qualmten. Turmhoch überlegen schaffte die von Jean-Pierre Dubois gezüchtete Braune den dritten Karriere-Sieg in 1:14,3. Prächtig zu gefallen wusste auch Jane Attack, mit der Michel Rothengatter die permanente Todesspur nicht scheute und dabei Jessie Bros und Jessy Schermer hinter sich herzog. Mit viel Herz biss sich die Timoko-Tochter zum Ehrenplatz vor Jessy Schermer, mit der das Duo Ebbinge/Engwerda auch die zweite Kandidatin ins Finale brachte.

Nichts für Nervenschwache war dann wieder Vorlauf 3, den Ultrafavoritin Jacky Bros mit einer Galoppade begann, die sie 100 Meter kostete. Wie die 12:10-Favoritin bei nicht übermäßig explosivem Tempo nach einer Runde wieder dran war, im Schlussbogen gar in vierter Spur zu retten suchte, was nicht mehr zu retten war und nach diesem Gewalttransport dennoch Fünfte wurde, nötigte riesigen Respekt ab. Mit der Entscheidung hatte die tapfere Braune jedoch nichts zu tun. Die lag allein zwischen Klingande, die Heinz Wewering nach dem vergeblichen Versuch, Janske Beemd die Führung abzujagen, hinter dieser einparkte, der sich mit Mann und Maus wehrenden Leaderin und der brandgefährlich in dritter Schlussbogenspur aufziehenden Jetway Fortuna, die „HW“ gerade so in Schach zu halten vermochte. „Ich hatte heute so ein Gefühl, dass wir eine Chance hätten“, freute sich der große Münsterländer, der sich in die Siegerliste des Stuten-Derbys so oft eingetragen hat wie kein Zweiter: neunmal.

Im 4. und letzten Qualifier, der auf dem geduldigen Papier als offenster daherkam, schlug zum Ausgleich wiederum die Stunde der Favoriten, von denen sich lediglich Versailles Diamant mit einer schweren Galoppade kurz nach dem Ab ausklinkte. Konnte Michael Nimczyk, der mit Jeanet Newport nach 800 Metern das Zepter an sich gerissen hatte, lange mit dem vollen Erfolg liebäugeln, wurde er von der bei drei Auftritten bislang sieglosen Rock my Dreams auf den letzten 200 Metern regelrecht ausgeguckt. „Mit dem geschlossenen Zaum, den wir ihr vor kurzem verpasst haben, ist sie viel konzentrierter. Zu Beginn des Einlaufs wusste ich, wir würden gewinnen. Ich hab die Peitsche nicht mal umgedreht“, freute sich Josef Franzl, der als „Mann des Tages“ all seine vier Schützlinge in den Winner Circle bugsierte und lediglich mit der „Fremdfuhre“ Mephisto PS als Dritter eintraf. Das dritte und damit letzte Endlauf-Billett schnappte sich die gesetzte Vincennes Diamant.

Halva von Haithabu in 1:12,2 – Tagesbestzeit!

Auch wenn sich Klassepferde im Gegensatz zu früheren Zeiten rar machten im seit 1972, dem Todesjahr des Namensgebers, ausgetragenen Charlie-Mills-Memorial um 20.000 Euro und die Internationalität zu wünschen übrig ließ, dürfte der einstige Weltbürger des Trabersports zumindest an den ersten Beiden Gefallen gefunden haben, die schon in einigen Ländern ihre Visitenkarten abgegeben haben: Holland, Dänemark und Frankreich stehen im Reisepass der Goldy Stardust, Holland, Frankreich, Belgien und Schweden in jenem Halva von Haithabus. Der von Bernd Brodersen gezüchtete Wikinger verbreitet seit zweijährig auf höchster deutscher Ebene Angst und Schrecken und ist (fast) keiner Konfrontation aus dem Weg gegangen. Das hat dem zunächst von Holger Neumann, seit nunmehr zwei Jahren von Gerhard Holtermann vorbereiteten Here-comes-Joey-Sohn mit dem Raketenantritt eine stählerne Härte gegeben, an der sich auch die gute Goldy den Kampfzahn ausbiss. Von Roland Hülskath resolut in Front gescheucht, herrschte der siebenjährige Hengst auf jedem Meter souverän und drehte der sich durch die Todesspur wacker verkaufenden Goldy Stardust 2½ Längen voraus eine lange Nase. „Er scheint wie guter Wein mit zunehmendem Alter immer besser zu werden. Natürlich haben die frühen Einsätze auf hohem Niveau ihre Spuren hinterlassen, aber Gerd (Holtermann) und Uwe (Zevens) bringen ihn stets bestens in Schuss zurück“, schwärmte der an diesem Tag unterbeschäftigte fünffache deutsche Goldhelm, der einen der wenigen weißen Flecken auf seiner persönlichen Landkarte wichtiger deutscher Rennen tilgte: Erstmals prangt nun auch sein Name auf der von Ginster und Kurt Hörmann angeführten Ehrenliste. Vielleicht wäre ihm das Siegen schwerer gefallen, hätte sich Gustavson Be nach 700 Metern eine Galoppade verkniffen, die ihn rund 40 Meter kostete. Wie sich der mit einem gewaltigen Gangwerk ausgestattete Fuchs auf der Zielgeraden reinhängte und Tyrolean Dream und den Rest überlief, war aller Ehren wert.

Dreimal ist Lasbeker Recht

Der glasklaren 15:10-Favoritin Naama blieb es vorbehalten, den Renntag zu eröffnen. Nachdem Josef Franzl von Michael Nimczyk und Stand up im Scheitel der ersten Kurve fürs Kommando durchgewinkt wurde, war die solide Basis für den Sieg der debütierenden großrahmigen Lasbekerin gelegt, die ihren Schatten im entscheidenden Moment lässig um zwei Längen abtropfen ließ. Und weil’s ihm im sonnigen Winner Circle augenscheinlich ausnehmend gut gefallen hatte, legte der Gestütstrainer für die kaffeebraunen Farben mit den weißen Nähten sofort nach. Zwar kam er mit 11:10-Chance Nashua gegen den enorm drückenden Chaplin nicht in Front, konnte sich jedoch ungestraft 1600 Meter ziehen lassen, weil Ronald de Beer nicht auf der Bremse saß. Herausgehen und vorbeiziehen war eine fließende Bewegung des Brioni-Nachkommen, der eine zehnmonatige Pause kaum effektvoller hätte abschließen können.

Dieses war der zweite Streich, und der dritte folgte nicht sogleich, sondern 150 Minuten später nicht minder beeindruckend. Mit dem in Schweden eingetragenen Oscar L.A. fand der „Franzl Seppi“ einen Kilometer lang in Englishtown ein perfektes Zugpferd, legte nach dessen Führungnahme den Hochgeschwindigkeitsgang ein, übernahm nach einer Runde selbst das Zepter und setzte sich überlegen ab. „Die Form steht - ich hoffe, dass bleibt mindestens fürs gesamte Meeting so“, freute sich der zwischen Bayern und Norddeutschland pendelnde Franzl.

Nach einem Start, der jeder Beschreibung spottete und eigentlich hätte zurückgepfiffen werden müssen, knöpfte Michael Nimczyk im Pokal der (vierbeinigen) Publikumslieblinge mit Fast and Furious im Scheitel der ersten Kurve Rebound die Regie ab, durfte ein Viertel im 1:20er Tempo abbummeln, schmetterte das letzte in 1:11 runter - da konnte auch der groß aufrückende Gobelin nur staunend hinterdrein schauen. „Der Dunkelfuchs fühlt sich im zweiten Frühling und hat richtig Spaß am Laufen. Ich hatte nie Zweifel am Sieg“, kommentierte der achtmalige deutsche Champion den rundum überzeugenden Treffer seines furiosen Partners.

Unbefriedigender Kombi-Pokal

Kein guter Stern stand über dem kuriosen Kombi-Pokal. Wie selbstverständlich holte sich Ronja Walter Lauf 1 (die Monté-Abteilung) mit Favoritin Holly Star. Die Schwarzbraune hatte einiges zu tun, den nach einem Kilometer in Front gepreschten Commander H kleinzukriegen. Als dies eingangs der Zielgeraden vollbracht war, gab’s für die Classic-Grand-Cru-Tochter kein Halten mehr. Dame Quick war so quick, sich mit Marloes Knopp vor dem auf dem ersten Kilometer das Tempo vorlegenden Eté d’Ourville und dem am Ende recht müden Commander H Platz zwei zu sichern - und hatte das Glück der Tüchtigen, dass Holly Star nach Überprüfung wegen unsauberer Schritte auf der Zielgeraden disqualifiziert wurde. Im als Sulky-Prüfung mit Profis wiederholten Lauf 2 spielte die Rennleitung ebenfalls Schicksal und disqualifizierte nach endlos währender Überprüfung, die die Verspätung auf unzumutbare 50 Minuten wachsen ließ, den sich nach Hause raufenden Phil Taylor im Nachhinein wegen unreinen Trabs, womit sich sein hartnäckiger Widersacher Eté d’Ourville mit Dennis Spangenberg hätte als Sieger feiern lassen können - wenn er nicht längst schon im Stall zum Duschen gewesen wäre. Dass beide nachträglichen Disqualifikationen nicht im öffentlich zugänglichen Rennbericht als solche vermerkt sind, sei nur als Randnotiz erwähnt.

„Die Spitze nehmen und niemanden passieren lassen“ lautete das probate Erfolgsrezept im Derby-Pokal der Flieger für Donna Granata und Rudi Haller. Die englische Meile nahm nur die Berlinerin Louisa ein wenig zügiger in Angriff, ließ jedoch die Granate bald vorbei, die von der gefährlich gut auf Touren kommenden Honesty Newport nicht mehr zu kaschen war.

Das einzige Amateurtreffen des 14-Gänge-Menüs wurde eine leichte Beute von Fantomas, den Sönke Gedaschko aus der zweiten Startreihe wie ein Phantom durchs Feld lavierte und aus der Deckung die ihren Fluchtversuch nicht durchstehende One Penny Black sowie die endkampfstarke Danielle Simoni auf die Plätze verwies.

Der Absacker war wie tags zuvor den Trotteurs français vorbehalten, die sich aus drei Bändern über zwei Kilometer austoben durften. Beim fast schon üblichen Springfestival war der vom Start fliegende Birdy de Neuilly nach verdecktem Verlauf zum guten Schluss der eindeutig Stärkste und bescherte Michael Nimczyk den dritten Tagestreffer.

Der Umsatz blieb unter jenem des Vorjahrs: Bei 14 Rennen wurden 282.226,74 Euro umgesetzt. Das entspricht einem Schnitt von 20.159 Euro zu rund 23.000 Euro des vergleichbaren 2018er Samstags.

Umsatz bei 14 Rennen: 282.226,74 Euro (incl. 168.829,34 Euro Außenumsatz).


Nachschau Freitag, 19. Juli 2019 - 1. Tag des Derby-Meetings

Der Goldhelm glänzt

Michael Nimczyk gewinnt mit Toscanini Diamant das Halbfinale der Newcomer-Serie (Foto: ©Marius Schwarz)

Beide Hauptereignisse gehen an Michael Nimczyk: Toscanini Diamant schwingt den Taktstock bei den Newcomern – Free Bird fliegt in der Silberserie – Munteres Favoritensterben – Berliner Combo erster Meeting-Sieger – V7+-Jackpot von 8.719,18 Euro

Das ging ja gut los für den deutschen Goldhelm! Das mit einigem Stottern beginnende, mit Spannung erwartete Derby-Meeting 2019 läutete Michael Nimczyk so ein, wie er sich bei jenem des Vorjahrs präsentiert hatte: Als siegeshungriger Löwe, der sich nicht nur zum einzigen Doppelsieger der von zahlreichen Favoritenstürze geprägten Elf-Rennen-Karte aufschwang, sondern die wertvollsten Prämien einsackte.

Bevor es bei idealem Rennbahn-Wetter - bei 25 Grad fielen die vage prognostizierten Schauer aus - endgültig heißen konnte: „Manege frei“ zu der auf 17 Tage gestreckten wichtigsten deutschen Traber-Veranstaltung, musste etwas an Prinz Russels Ausrüstung justiert werden. Dann waren einige der unerfahrenen Kandidaten partout nicht hinter den Startwagen zu bugsieren, so dass es mit acht Minuten Verspätung losging. Nun war auch Favorit Fight of the Night am späten Nachmittag richtig auf zack, übernahm nach 500 Metern resolut das Kommando und schaute nie mehr zurück. Leicht und locker stiefelte die Berliner Pflanze - Trainer ist der Karlshorster Andreas Gläser, Züchter Fritz Pögel, auch die Besitzer sind bodenständig, Gustav Diamant war jahrelang Mariendorfer Bahnrekordler und Ferrero Küsschen eine Berliner Stute - beim zweiten Start zum ersten Mal in den Winner Circle und ließ all jene strahlen, die ihm ihr Wettgeld mitgegeben hatten: 1,6fachen Einsatz bekamen sie „ohne Zittern“ zurück.

Ein ähnliches Bild präsentierten die Amateure in ihrer ersten Prüfung mit dem kleinen Unterschied, dass sich 13:10-Favorit Fionaro an der von Herbert Tuscher sofort nach vorn beorderten Gri Happy Girl die Zähne ausbiss. Für 162:10 machte das „Homebred“ des Stalles Granit das seit Jahrzehnten im Rennsport verwurzelte 73jährige bayerische Urgestein glücklich, der anschließend um seine Stute bangen musste, die sich während der Siegerehrung selbstständig gemacht hatte.

Das siegreiche Duo im Winner's Circle (Foto: ©Marius Schwarz)

Nicht nur finanzieller Höhepunkt dieses ersten Tages war das 1. Halbfinale der neu konzipierten Newcomer-Serie für Vier- und Fünfjährige, das qua Ausschreibung die Besten aus den sechs Vorläufen hinter dem Startwagen versammelte (Halbfinale II wird am 9. August in Wolvega ausgefahren). Deutschlands Goldhelm steckte rigoros seinen Claim ab und machte sehr deutlich, dass er an seine glanzvollen Derby-Tage 2018 anzuknüpfen gedenkt. Mit dem zum zweiten Mal ohne Check aufgebotenen und dadurch sehr viel quirliger wirkenden Toscanini Diamant schwang er sofort den Taktstock und ließ sich durch das Allegro, das Favorit Give You All of Me in der Todesspur abspulte, nur unwesentlich beirren. Nicht so sehr der Schwede als das eigene ständige Pendeln mit dem Kopf brachte Toscanini an der letzten Ecke in die Bredouille und für sechs, sieben Schritte aus dem Tritt, was Rennkommentator Murat Eryurt veranlasste, ihn im Vorgriff auf die Rennleitung disqualifiziert zu sehen. Die jedoch sah, da dieser kurze Aussetzer weit vor der Einlaufmarke stattfand, dazu keinerlei Anlass. Michael Nimczyk hatte den Muscle-Hill-Sohn rechtzeitig wieder im Griff und siegte sozusagen „kommentarlos“ sicherer, als es der Richterspruch "mit einem Hals Vorsprung“ auswies. „Noch stärker ist er, schicken wir ihn ohne Eisen ins Rennen, aber da er während des Meetings noch einmal antreten soll, konnten wir ihn heute nicht barfüßig ins Match schicken“, kommentierte der 33jährige. Der tapfere Quälgeist musste in einem sehenswerten Finish auch seinen ständigen Schatten Major Ass vor sich dulden und für die Knochenarbeit mit Bronze knapp vor Timberlake Diamant zufrieden sein.

Zweiter Hingucker war Lauf 5 der Silberserie um 6.000 Euro, auch wenn von den sieben Kandidaten lediglich ein Quartett ohne Beanstandung durch die Rennrichter das Ziel erreichte. Vom Fleck weg machte Thorsten Tietz mit Glaedar Dampf, was in die Tagesbestzeit von 1:13,2 mündete. Zu gewinnen vermochte der Lucky-Chucky-Sohn dennoch nicht. Als Nimczyk den lange versteckten Free Bird losließ, flog der kleine, kampfstarke Ready-Cash-Hengst verblüffend leicht um 2½ Längen vorbei und scheint nach einigen Problemchen auf bestem Weg, an die überragende Vorsaison anzuknüpfen.

Den 1. Vorlauf des Handicap de Luxe dominierte Errakis, wie er bzw. Catchdriver Jörgen Sjunnesson es wollten. Im Ziel waren sie im schlanken 1:16,8-Gang weit voraus, und wer etwas auf die Abstammung eines Pferdes gibt, war mit dem kapriziösen Franzosen auf der sicheren Seite: Eines seiner Geschwister ist niemand anderes als Oyonnax, 2010 der überraschendste Prix-d’Amérique-Sieger aller Zeiten! Mächtig kämpfen musste der launische Campione in Vorlauf 2, der sich in einer von Online PS sehr zügig gestalteten Partie erbittert gegen die unermüdlich fightende Heras Traum um eine halbe Länge durchsetzte und Manfred Zwieners Hoffnungen voll erfüllte: In 1:16,6 waren der Ex-Europameister und sein „braunschimmeliger“ Schwede am ersten Ziel der Wünsche und kreuzen in zwei Tagen mit Errakis und den Anderen noch einmal die Klingen – dann um den doppelten Siegpreis von 2.800 Euro.

Der erste, den Hobbyfahrern vorbehaltene Lauf des Kombi-Pokals ging nach sattsam bekanntem Rezept, das da lautete, die Spitze zu übernehmen und bis zum Zielstrich niemanden vorbeizulassen, an Thorsten Tietz‘ Schweden-Mitbringsel Västerbo Morning. Die Stute, der der Berliner Rechtskurs wohl sehr viel besser mundet, als in ihrer Heimat „linksrum“ zu laufen, wimmelte mit ihrer Besitzerin Sarah Kube den zudringlichen Night Star Sam, Georgies Express und Stormy Salsa sehr sicher ab. Ein völlig anderes Resultat ergab der zweite, von Profis bestrittene Lauf, in dem Stefan Schoonhoven mit Hollands Geheimtipp C’est La Vie C der Schwedenstute den Weg an die Spitze resolut verbaute und damit den soliden Grundstein für einen letztlich sicheren Sieg legte. Keine Rolle nach dem harschen Beginn spielte die ins äußere Mittelfeld abgetauchte Västerbo Morning. Der schon in Lauf 1 manch merkwürdigen Schritt dazwischenhauende Night Star Sam trabte bei der Zweitauflage bedeutend schlechter und wurde 300 Meter vorm Ziel mit der blauen Karte ausgemustert. Hinter der eleganten Fuchsstute feierten mit Late Night Show, Orefice und Look Red Romulus verdeckt vorgetragene Außenseiter in dieser Reihenfolge fröhlichen Ringelreihen und ließen die Viererwette auf 49.377:10 explodieren.

Bonanomi CG und Andreas Geineder waren im 5. Rennen die chronologisch Ersten, die nicht aus der Pole Position zur Ehrenrunde eindrehen durften. Die hatte Hellboy inne, und der schmucke Fuchs marschierte vorneweg wie beim Parademarsch. „Wer zur Hölle ist die denn“, mag sich Uwe Zevens gedacht haben, als der Nachwuchsmann seine Stute auf der Zielgeraden aus der Deckung losließ und die Igor-Fant-Tochter brav und sicher zum dritten Karriere-Erfolg davon flitzte.

Nicht zurückzudrehen vermochte Fridericus das Rad der Zeit, obwohl Heinz Wewering den Schwarzbraunen, der den eisernen Gustav Diamant nach neun Jahren Regentschaft am 24. September 2016 als Bahnrekordler abgelöst hatte, vorneweg mächtig knattern ließ. 1400 Metern lang sparte Gerhard Biendl seinem Rapido OK im Windschatten Fridericus‘ viele Körner, beorderte den Italiener dann nach außen und brauchte ihn „nur laufen zu lassen, wie er wollte. Er machte alles von allein“, strahlte der oftmalige Bayern-Champ. Rapido OK tilgte im neunten Anlauf einen weißen Fleck auf seiner „To-Do-Liste; bis dato hatte er noch nie in Mariendorf gewonnen.

Den nicht unbedingt krönenden Schlusspunkt setzten die aus drei Bändern auf die 2500 Meter weite Reise geschickten Franzosen-Traber, die ihrem Ruf für Überraschungen vollauf gerecht wurden. Mit Brandy Hornline beim Ab, Casanova d’Amour im ersten Bogen und Barbariska 700 Meter vorm Ziel fielen drei aus dem Favoriten-Quartett im Galopp aus. Nummer vier Dark Look sprang mit Mykola Wolf in die Bresche und rang den mit dem ersten Schritt führenden Djoko du Bellay mit dem letzten Aufbäumen nieder.

Umsatz bei 11 Rennen: 212.606,89 Euro (incl. 139.061,69 Euro Außenumsatz)

Quelle: Berliner Trabrenn-Verein (BTV)