Trab: Das erste Derbywochenende in Mariendorf

Sonntag, 29. Juli 2018

3. Tag des Derby-Meetings

Oranje - ganz weit oben

Es ist angerichtet für das höchstdotierte deutsche Trabrennen des Jahres, das am kommenden Sonntag zum 123. Mal entschiedene Derby. Was die Auguren im Vorfeld von den vier Qualifiern erwartet hatten, wurde hinsichtlich eines Faktums gar noch übertroffen. Man muss kein großartiger Prophet sein, um zu vermuten, dass am 5. August zum sechsten Mal in Folge im Winner Circle niederländischer Zungenschlag dominiert. Neun der zwölf Finalisten kommen aus dem Nachbarland: Je drei aus dem Quartier Paul Hagoorts, das zwei Vorläufe und einen Ehrenplatz an seine Fahne heftete, und Dion Tesselaar, der das Kunststück mit drei dritten Plätzen schaffte. Einzelkämpfer sind der im Speed als Zweiter restlos überzeugende „adlige“ Velten von Polly (Hugo Langeweg), der erneut ungemein beeindruckende Very Impressie S (I., Cees Kamminga) sowie Inspector Bros (II., Stefan Schoonhoven). Und weil Altmeister Jean-Pierre Dubois den in der Normandie vorbereiteten Laurel Park (II.) weiterbrachte, stemmen sich diesen Zehn mit Ulrich Mommerts und Hans Brockers Chapter One, dem es vor allem zuzutrauen ist, die Phalanx dieser fremden Armada aufzubrechen, sowie Marion Jauß’ Standbyme lediglich zwei hierzulande trainierte Aspiranten entgegen.

Ids Boko hängt Favorit Emilion ab

Ids Boko mit Robin Bakker gewinnt den ersten Vorlauf zum 123. Deutschen Traber-Derby (Foto: Marius Schwarz)

Der Vorlauf-Reigen begann mit einem Knaller. Der im Vorfeld selbst für den Derby-Sieg hoch gehandelte Emilion bzw. seine Entourage bekamen knallhart unter die Nase gerieben, dass ein Sicherheitsstart, wie ihn Michael Nimczyk dem Sam-Bourbon-Sohn verschrieb, mit rund 30 Meter Bodenverlust ein zu großes Handicap ist, wenn die Anderen wie geschehen nicht auf ihn warten. Ids Boko, von dem Trainer Paul Hagoort meinte, das Derby käme für ihn vielleicht zwei, drei Wochen zu früh, setzte sich gegen Jean-Pierre Dubois’ Laurel Park fürs Kommando durch und „never looked back“. Emilion war etwa zur Halbzeit dran am Feld und wurde eingangs gegenüber in Spur drei dirigiert, wo der von Dubois senior gezüchtete Hengst aus dem Hause Mommert bei dem enormen Knast nur mühsam vorankam und seine Derby-Ambitionen als Vierter sogar komplett begraben musste. In sagenhaften 1:12,1 - Berliner Saisonrekord und deutscher Mitteldistanz-Rekord für dreijährige Wallache - ließ Ids Boko den Angriff des prima durchstehenden Laurel Park locker um eine Länge an sich abtropfen; 2½ weitere Längen zurück war Platz drei und damit die erste Niederlage seines jungen Arbeitslebens für Dion Tesselaars Crazy and Quick durchaus ein kleines Ruhmesblatt, das mit der Endlauffahrkarte belohnt wurde.

Very Impressive S eindrucksvoll ruhig

Siegerehrung: Very Impressive S mit Cees F. Kamminga gewinnt den zweitten Vorlauf zum 123. Deutschen Traber-Derby (Foto: Marius Schwarz)

Der nächste Paukenschlag ließ nicht lange auf sich warten. Cees Kamminga ließ sich in Qualifier 2 von der Hetzjagd, die der nach einer Runde in Front springende Iron Transs R und dessen Verfolger Charmeur Royal anzettelten, mit dem Geldwechsler Very Impressive S nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen. Vorsichtig ins Match gebracht, machte sich der Schwarzbraune in der Außenspur auf die Verfolgung der Flüchtlinge, baute den Buddenbrock-Sieger nach einer Runde dahinter für 300 Meter auf und wechselte im Scheitel der letzten Kurve nach außen. Wie eine Windsbraut zog er drückend überlegen in 1:12,6 über Charmeur Royal hinweg und warf mit dem dritten Berliner Sieg in Folge seinen Hut höchst nachdrücklich in den Derby-Ring. Fürs dritte Finalbillett kämpfte Standbyme den gerade mal 320 Euro reichen Great Gatsby As mit Ach und Krach nieder.

Chapter One siegt von der Spitze

Siegerehrung: Chapter One mit Michael Nimczyk gewinnt den dritten Vorlauf zum 123. Deutschen Traber-Derby (Foto: Marius Schwarz)

Endlich mal ein deutsches Kapitel schlug Chapter One in Vorlauf 3 auf, der beim Sieg im Adbell-Toddington-Rennen einem Very Impressive S das Nachsehen gegeben hatte. Mit ihm ging Michael Nimczyk sofort volles Risiko, mischte sich kräftig in den zwischen City Guide und Officer Stephen tobenden Zweikampf um die Spitze ein, den City Guide mit einem 13 Sprünge umfassenden Fehler im ersten Bogen beendete, und übernahm nach 500 Metern die Spitze, „womit die halbe Miete schon drin war“, wie Trainer Wolfgang Nimczyk im Nachgang bestätigte. Die ganze wurde es mit Beginn der Zielgeraden, als Deutschlands Goldhelm ihm den Kopf freigab. Im Sturmschritt setzte er sich in 1:13,6 klar und deutlich von Inspector Bros und Officer Stephen ab, der dem nach seinem Fehler zügig in die Todesspur dirigierten City Guide um Haaresbreite widerstand.

Mister F Daag dreht nach schwachem Start auf

Mister F Daag mit Robin Bakker gewinnt den vierten Vorlauf zum 123. Deutschen Traber-Derby (Foto: Marius Schwarz)

Nach dem Motto „Der Beste zum Schluss“ hatte der BTV Mister F Daags Vorlauf als Nummer 4 angesetzt, und der haushohe Favorit auf das Blaue Band ließ sich nicht lumpen. Robin Bakker hatte mit dem Hagoort-Schützling am Start einige Probleme, so dass sich zunächst die Anderen kräftig ins Zeug legen konnten. Dennoch kam der Sohn der Miss Love, der sich die Rennhärte heuer ausschließlich in Frankreich geholt hat, nach 500 Metern im zweiten Paar außen unter - idealer konnte es für den 10:10-Geldwechsler nicht laufen. 600 Meter vorm Ziel machte Bakker das erste Mal ein bisschen Ernst, umflankte sein Zugpferd Ibra Boko wie nix und legte sich an die Flanke des Leaders Fabio de Pervenche. Bis Mitte des Einlaufs blieb er mit diesem auf Augenhöhe und stiefelte dann aus der Hand locker-flockig in starken 1:12,8 ab. Den totalen holländischen Triumph komplettierte der ganz spät eingesetzte Velten von Polly, der mit Hugo Langeweg dem tapferen Tempomacher die zweite Prämie stahl und eine kleine deutsche Note ins Spiel brachte: Besitzerin ist die seit Jahrzehnten überaus engagierte Sigrid Velten. Ein Haar in der Siegersuppe fand Robin Bakker doch: „Am Start gefiel er mir gar nicht, nahm nicht genug Tempo auf und rumpelte sogar kurz. Wollen wir im Derby eine Chance haben, müssen wird das schleunigst abstellen - dafür ist der Trainer zuständig!“

Zauni - Deutschlands Sattelkönig

Siegerehrung: Zauni mi tFahrerin  Ronja Walter (M.) gewinn (Foto: Marius Schwarz)

Einen weißen Fleck in ihrer langen Erfolgsliste tilgte Ronja Walter im zum sechsten Mal ausgetragenen Derby-Monté um stolze 20.000 Euro, in dem sie ihrem Zauni vorab kaum Chancen gegen die französisch- schwedischen Spezialisten ausgerechnet hatte. Doch der seit dieser Saison ausschließlich - und das mit immensem Erfolg - unterm Sattel eingesetzte St-Leger-Sieger der Saison 2016 fand viel besser in die Hufe als befürchtet, konnte nach 600 Metern in dritter Spur hinter dem sich kräftig beharkenden Schweden-Duo Victorious Star innen und Star Advisor Joli einparken und hatte, als der Fuchs die Todesspur mehr und mehr spürte, nur noch den Lugauer-Schützling vor der Nase. Der zeigte unter Zaunis wachsendem Druck 100 Meter vorm Ziel deutliche Wirkung und wurde von ihm um zwei Längen weggebürstet. „Obwohl er am Start mehrmals einen Fehler andeutete, lief doch alles gut ab, und einen besseren Verlauf hätte ich mir auf den letzten 1000 Metern nicht wünschen können. Wie er sich in seine Aufgaben reinhängt, ist einfach bombastisch“, war Deutschlands Monté-Königin nach ihrem insgesamt 98. Sieg zu Freudentränen gerührt.

Heinz Wewering - ein putzmunterer Oldie

Acht Piloten mit zusammen mehr als 30.000 Siegen trafen sich im Derby-Pokal der Oldies, der das Rennen jenes Mannes wurde, der lange Zeit mit 707 Saison- sowie später mit Gesamt-Siegen die Rangliste aller Professionals weltweit angeführt hat und derzeit bei Numero 16.872 angekommen ist (mehr hat lediglich der Amerikaner Dave Palone auf dem Kerbholz): Heinz Wewering. Es war ein Verlauf so recht nach dem Geschmack des 68jährigen „ewigen Goldhelms“, der Unstoppable mit dem ersten Schritt derart unerbittlich kesseln ließ, dass der Rest spätestens auf der Zielgeraden nur das staunende Nachsehen hatte. Der „Oldie but Goldie“ verpasste dem fürwahr nicht zu stoppenden, sonst von Schwiegersohn Robbin Bot chauffierten Zola-Boko-Sohn als Nebenprodukt mit 1:13,1 eine neue Hausmarke. Ex-Europameister Manfred Zwiener befriedigte seine Berliner Fans mit Rang zwei durch Late Night Show, Gerd Biendl rettete sich mit der lange außen rum marschierenden Marie Galante zu „Bronze“.

Wie im Vorjahr ein Sieg für die TraberParti

Richtig voll im Winner Circle wurde es nach dem 11. Rennen, in dem Hannah Hazelaar, das Pferd mit den 350 TraberParti-Besitzern, eine im Grunde nicht mehr zu gewinnende Partie mit einer tollen Speedshow doch noch zu ihren Gunsten hinbog. Durch ständige Führungswechsel bis an die letzte Position zurückgeschoben, nutzte Michael Nimczyk mit eisernen Nerven die gegenüber in dritter Spur vorrückende Hélène des Moères als Lokomotive. Wer unterwegs nicht viel investieren muss, hat am Ende reichlich in petto - und das hatte die brave Hannah unter dem Jubel ihrer Besitzer mit verblüffender Leichtigkeit: „Sie wird immer besser und ist für die Idee, mit einem Traber Viele glücklich zu machen, das ideale Pferd. Keine Bange - wir haben in punkto Beschlag- und Ausrüstungsvariationen noch einiges in der Hinterhand, so dass wir noch lange nicht das Ende der Erfolgsstange gesehen haben“, war des Goldhelms Statement über die Lady, die sich um 1,2 Sekunden auf 1:14,5 steigerte.

Vor dem 1. Derby-Vorlauf wurde dem Publikum eher sportliche Schonkost geboten, denn sowohl beim Sieg der mit Roland Hülskath sofort in Front gedüsten Ivonne Dragon wie bei jenem Gian Luca Pasels, die sich endlich wieder ihrer Top-Form vor zwölf Monaten erinnerte und mit Ersatzmann Michael Nimczyk Richard Parker niederrang, war doch reichlich Sand im Getriebe der Anderen. Zumindest bis zum Ziel spannender machte es der Berliner Krabat, mit dem Manfred Zwiener den von Gerhard Mayr angekündigten Iceman Bo in Abteilung 1 des 2. Handicap-de-Luxe-Vorlaufs eiskalt mit Augenmaß einsammelte. In Abteilung 2 scheiterte er mit der braven Jilliane knapp an Apollonia, mit der Michael Nimczyk eine Runde vor Schluss die Regie übernahm und bis zum Pfosten alle Hände voll zu tun hatte, die nicht überzeugende Sechsjährige zusammenzuhalten.

Startnummer „1“ war für Dr. Marie Lindinger in einem der vielen Derby-Pokale der Amateure Programm. Die Pole Position ließ sie sich mit Atlantic CG auf keinem Meter streitig machen und hatte endgültig gewonnenes Spiel, als Zweitausend PS, der den Wieserhofern noch am nächsten war, 400 Meter vorm Ziel im Galopp Adieu sagte.

Start-Ziel dominierten Be Happy und Victor Gentz eine maßgeschneiderte Aufgabe, zumal das „Stallgeflüster“ Payet viel zu weit aus dem Rennen lag, um die Lauvenburgerin trotz famosem Endspurts in Verlegenheit zu bringen; am Zielstrich fehlte ihm eine halbe Länge. Den Schlusspunkt setzte ein Nimczyk - diesmal Vater Wolfgang, der mit dem familieneigenen Red Lover den mit Michael liierten Best Kept Secret auf Distanz hielt, was durchaus erwartet worden war.

Dank der heißen Favoriten Very Impressive S und Mister F Daag, die bei 10:10 nichts zum Geld mehren, wohl aber etwas für die Jagd auf Prämienlose waren, machte der Umsatz knapp unter der 400.000-Euro-Grenze halt und lag damit fast fünf Prozent über dem des Vorjahrs.

Umsatz bei 14 Rennen: 397.624,89 Euro (incl. 255.075,74 Euro Außenwette)

 

Samstag, 28. Juli 2018:

2. Tag des Derby-Meetings

Dreimal Holland, einmal Bavaria

Auf diese Kurzformeln lassen sich die vier Vorläufe zum Arthur-Knauer-Rennen 2018 bringen, womit die für die Setzliste Verantwortlichen im Vorfeld ausgezeichneten Spürsinn bewiesen haben. Die gemeinten Stuten gaben sich lediglich in einem Fall eine kleine Blöße: Allein Laura Vici vermochte sich nicht als Siegerin fürs 30. Stuten-Derby zu empfehlen und schaffte mit Ach und Krach Rang zwei - das lässt ihr nach den erstklassigen Vorstellungen der Siegerinnen nur bedingte Chancen, diese Scharte auszubügeln, wenn es in einer Woche um den großen „Pott“ geht.

Cahaya und Fahrer Dion Tesselaar siegten im ersten Vorlauf zum Stuten-Derby (Foto: Marius Schwarz)

Die etwas ungewöhnlich nach nur einem Start - dem Ehrenplatz im Buddenbrock-Rennen - gesetzte Cahaya wurde im 1. Vorlauf dieser Wertschätzung vollauf gerecht - und das, obwohl ihr die Losfee den äußersten Startplatz „8“ aufgebürdet hatte. Dion Tesselaar riskierte mit der Love-You-Tochter gar nichts, sondern überstellte ihr erst auf der Tribünengeraden aus vierter Stelle den Marschbefehl. Thorsten Tietz war mit Blitzstarterin Girlofmanymissions gut beraten, die 13:10-Favoritin für die Schlussrunde vorbeizulassen, die fortan niemanden mehr in ihrer Nähe duldete und sich in bestechender Manier in 1:13,4 überlegen verabschiedete. An ihrer Vorderfrau Girlofmanymissions, die als Dritte den Endlauf bombensicher erreichte, raufte sich Intouchable locker vorbei.

Auch Avalon Mists und Fahrer Robin Bakker wurden im zweiten Vorlauf zum Stuten-Derby ihrer Favoritenrolle gerecht (Foto: Marius Schwarz)

Kurioserweise musste auch Avalon Mists, die heiße Favoritin auf den Gesamtsieg, in Elimination 2 von der „8“ los - und erledigte die Pflicht vor der großen Kür noch schmuckloser. Robin Bakker kannte kein Erbarmen, ließ die Pastor-Stephen-Tochter vom Fleck weg knattern und wurde von Björn Goop ausgangs der ersten Kurve auf den Regiestuhl durchgewinkt. Nach diesem ersten heftigen Run drosselte Bakker das Tempo enorm, so dass bis auf die kurz nach dem „Ab“ gesprungene Gri Happy Girl das Feld dicht zusammen blieb. Da änderte sich schlagartig, als es „Leinen los“ hieß für die 10:10-Favoritin. Nach 1:14,2 war die Messe souverän vor der vergeblich attackierenden Unicorn Diamant und Nagama, die sich bis zum Schluss tapfer durch Todesspur mühte, in den schönsten Liedern gesungen: „Sie wäre vielleicht auch gut genug fürs ‚große’ Derby, aber wir haben uns bewusst für die vermeintlich leichtere Aufgabe entschieden. Sie ist topsicher und kann speziell am Start noch zügiger loslegen - das wird sie im Finale vermutlich auch müssen. Doch da haben wir auf jeden Fall eine bessere Startnummer“, resümierte Bakker.

Donna Granata und Rudolf Haller düpierten im dritten Vorlauf zum Stuten-Derby Favoritin Laura Vici (Foto: Marius Schwarz)

Als einzige der Gesetzten sollte es für Adbell-Toddington-Siegerin Laura Vici in Vorlauf 3 nicht zum Sieg reichen, weil Donna Granata sich mit dem „Rudi-Haller-Berlin-Effekt“ in bestechender Verfassung präsentierte. An der sofort in Front gezogenen, „immer etwas faulen“ Corleone-Tochter biss sich die nach einer Runde in die Angriffsspur dirigierte Laura Vici derart gründlich die Zähnchen aus, dass sie für den Ehrenplatz um ein Haar von Trainingsgefährtin Lightning Bo erwischt worden wäre. „Wir haben sie etwas anders zurechtgemacht - das hat sich ausgezahlt“, war des Bayern kurzes Statement zum nicht unbedingt erwarteten Erfolg, der nach 1:13,7 zwei Längen voraus ganz leicht ausfiel.

Isabella Boshoeve wurde im vierten Vorlauf zum Stuten-Derby von Dion Tesselaar erwartungsgemäß zum Sieg gesteuert (Foto: Marius Schwarz)

Den Lapsus Laura Vicis bügelte Isabella Boshoeve im 4. und letzten Qualifier umgehend in einem Stil aus, an dem es nicht das kleinste Fitzelchen zu deuteln gab. Aus dem irren Gefecht um die Spitze zwischen Fitforfun, die im ersten Bogen ausfiel, Olena und der sich letztlich durchsetzenden Brétigny hielt sich Dion Tesselaar mit der heuer in Schweden und Frankreich gestählten Ready-Cash-Tochter nach dem Motto zurück: „Wenn du gegen diese Gegnerinnen früh aufs Ganze gehst und Galopp fährst, hast du gar nichts. Es gilt allein, ohne große Umstände das Finale zu erreichen.“ Als sich der Pulverdampf nach 500 Metern verzogen hatte, machte sich der 49jährige mit viel Verve auf den Weg nach vorn und wurde von Michael Nimczyk 1100 Meter vorm Ziel bereitwillig in Front gelassen. Wie Wiebe Landmans Stute ihr Pensum nach diesem kernigen Zwischenspurt abspulte, hinterließ gehörigen Eindruck. Ohne auch nur im Entferntesten gefordert zu werden, setzte sie sich in erstklassigen 1:13,8 überlegen auf fünf Längen ab. Brétigny, deren großer Bruder Broadwell kurz zuvor mit seinem Sieg im Prix de Milan zu Enghien sein vorläufiges Meisterstück abgegeben hatte, bekam den anfänglichen Kraftakt deutlich zu spüren, wurde immer müder und rettete nicht mal den dritten und letzten Finalplatz, für den sich Lusiana Bo und Olena als die deutlich Munteren erwiesen.

Rayman in Tagesbestzeit

Vor der feierlichen Eröffnung mit Durchschneiden des Blauen Bandes war „Wewering-Time“ angesagt. Genau wegen solcher Vorstellungen wie mit dem bislang sieglosen Henry Havana, den er erstmals in Händen hatte und auf Anhieb um 2,4 Sekunden verbesserte, ist der ewige Goldhelm zur Legende geworden. „Was war denn da los?“ wurde „Heinz the Champ“ gefragt. „Das Pferd wollte rennen wie der Deibel, und ich hab ihm den Willen gelassen“. Das reichte für den üppigen 145:10-Außenseiter, der den harschen Schlussangriff Drachenbluts ausstand und Heinz Wewering den 16.871. Sieg bescherte - so sich die Statistiker bei der Masse nicht verzählt haben.

Der nächste Schocker ließ nicht lange auf sich warten: Nachdem Janika Bo scheinbar souverän voraus 250 Meter vorm Ziel ausfiel und sich die Waage sehr deutlich Local Hero zuneigte, kam auch jener kurz vorm Ziel aus dem Takt, so dass die innen von Herbert Plankl klug geschonte Flying Wings für 329:10 abstaubte und die Phalanx der V7+-Wetter radikal dezimierte. Auch für die Tochter von Derby-Sieger 2002 Lets Go gab’s die erste Siegerschleife der Karriere.

Es blieb Navy Blue und Deutschlands Amateurchampionesse Sarah Kube vorbehalten, im 3. Rennen den Fluch, der über den Favoriten lag, zu brechen. Obwohl sie zur Halbzeit die wohlfeile Lage hinter Tempomacher Falco verließen und ihnen anschließend der äußere Fahrtwind ins Gesicht blies, legten sie den Holländer in einem einsamen Duell vor dem Rest locker zu den Akten.

In Abteilung II sprang der schon so oft angesungene Locarno über seinen Schatten - bzw. zog nach zahlreichen Ausfällen mit André Pögel in der Todesspur ohne Fehl und Tadel durch. Des Rätsels Lösung für den kniffligen Burschen, der überlegen in 1:13,6 nach Hause rannte, als kenne er keinen Fehler, war ein Bodenblender, der installiert wurde, damit er sich nicht vor Schatten erschreckt.

Als echter Publikums- und Wetterliebling entpuppte sich RitchiRich Diamant, mit dem Gerd Biendl nach zurückhaltendem Beginn ab der Tribünengeraden als Lokomotive durch die Außenspur dampfte und Mariendorfs Pferd des Jahres 2015 Mighty Hanover, dem Thorsten Tietz zügig die Tête gesichert hatte, mit Augenmaß zu den Akten legte. „Dank seines riesigen Kämpferherzens kann man ihm solch einen Transport durchaus zumuten“, war des oftmaligen bayerischen Champions Resümee, der den mit zunehmendem Alter immer stärker werdenden Conway-Hall-Sohn zum 19. Sieg aus 44 Auftritten führte.

Gelohnt hat sich die weite Anreise aus Dinslaken für Bourgogne, von dem im 1. Vorlauf des Handicap de Luxe lange gar nichts zu sehen war. Als sich die Anhänger des durchweg führenden Kleiner Donner wahlweise Richtung Winner Circle bzw. Auszahlkasse aufmachten, kam weit außen Wolfgang Musga mit dem Sam-Bourbon-Sohn angeflogen und schnappte ihm den Sieg sicher vor der Nase weg. Dass es auch für die „Handicapper“ kein leichtes Amt ist, zeigte die Siegzeit von 1:16,0 für den bei 88:10 notierten Hengst.

Der erste Vergleich des Fahrernachwuchses ging auf die Kappe des Favoriten-Duos Fire Lane und Jan Thirring, das sich aus der Frontlage zum Schluss sputen musste, um nicht von der von Lisa Hanikirsch fein auf Touren gebrachten Tiffany Diamant erwischt zu werden.

Kurz vor Toresschluss hatte auch Thorsten Tietz noch einen messerscharfen Pfeil im Köcher, mit dem nach den letzten Leistungen nicht unbedingt zu rechnen war. Lag es daran, dass sein Züchter Roman Krüger aus der Normandie tags zuvor nach Berlin gereist war? Rayman präsentierte sich in einer wilden Tempojagd, bei der am Ende mit 1:12,7 die schnellste Zeit des heißen Samstags zu Buche stand, kernig wie in besten Tagen. Schon der Griff nach dem Taktstock gegen den mächtig gegenhaltenden Little Danny war nichts für schwache Nerven, doch machte das dem Lets-Go-Sohn gar nichts aus. Erstmals mit Backenfellen ausstaffiert, rannte der Wallach unter Tietz’ energischen Hilfen wie um sein Leben und war auch vom wieder genesenen Tequila F. nicht einzufangen.

Zum guten Ende schepperte es noch mal ordentlich: Come on Scully stand einen Fluchtversuch eisern durch und spendierte den wenigen Glücklichen, die ihr und ihrem Fahrer Georg Kowalski ihr Erspartes anvertraut hatten, mit 921:10 die bisher höchste Sieg-Quote des Meetings.

Der Umsatz blieb um eine Idee unter jenem des Vorjahrs, in dem bei 14 Rennen 321.541 Euro umgesetzt worden waren. Das entspricht einem Schnitt von rund 23.000 Euro im Vergleich zu den 22.616 dieses Samstags.

Umsatz bei 13 Rennen: 294.011,58 Euro (incl. 188.785,13 Euro Außenumsatz)

Freitag, 27. Juli 2018:

1. Tag des Derby-Meetings

Orlando Jet - nur fliegen ist schöner

Siegerehrung: Orlando Jet mit Fahrer Rudolf Haller gewinnt das Charlie-Mills-Memorial 2018 (Foto: Marius Schwarz)

Auch wenn im traditionsreichen Charlie-Mills-Memorial nur sechs Starter an die auf ebenso viele Schecks verteilten 20.000 Euro Prämie wollten, wurde es den Erwartungen auf ein erstes sportliches Highlight des Derby-Meetings 2018, das ja offiziell erst am Samstag eröffnet wird, vollauf gerecht. Orlando Jet, Deutschlands aktuelles und einziges Aushängeschild fürs „ältere“ internationale Parkett, für 10:10 zum Geldwechsel-Kurs angetreten und ganz sicher im Fokus all jener „Jäger“, die sich über die Bank des Renntages ihr üppiges Quantum Anrechtscheine für die große Prämienausspielung um einen nagelneuen PKW sichern wollten, stellte seine riesige Anhängerschar vollauf zufrieden.

„Ich war mir im Vorfeld ziemlich sicher, wir würden das Ding nach Hause schaukeln, hatte aber gehörigen Respekt vor Cash Hanover. Ist der auf Hundert und man lässt ihn sein Ding durchziehen, kann es durchaus eine böse Überraschung geben“, verriet der „Haller Rudi“ im Nachgang und ging das Rennen auf die gnadenlos harte Tour an, zumal Michael Nimczyk hatte verlauten lassen, keineswegs vorm großen Namen zu kuschen und sich durchaus eine klitzekleine Chance auszurechnen. Und so donnerten sie denn mit Urgewalt los - ganz innen SJs Junior C, Cash Hanover in der Mitte und Hallers „bestes Pferd, das ich in meiner langen Karriere je hatte“, in dritter Spur. Zu Beginn der ersten Biege bei 1:05,8 für die ersten 300 Meter zog sich Stefan Schoonhoven zurück, doch brauchte der „Jet“ Vollschub bis zu deren Mitte, um endlich an Cash Hanover vorbeizukommen. Danach war der Fisch im Grunde geputzt, denn nach dem irren Anfangstempo konnte Haller die Fahrt deutlich drosseln. Seine behäbig eingetretene zweite Waffe Stark Bi wurde eingangs gegenüber von Josef Franzl in Marsch gesetzt, und nun musste Cash Hanover, wollte er nicht rettungslos eingebaut werden, wohl oder übel selbst in Spur zwei.

Das alles spielte dem von Peter Busch gezüchteten wuchtigen Orlando-Vici-Sohn nur noch effektiver in die Karten. Nach 1:09,2 für die vorletzten setzte es 1:10,4 für die finalen 400 Meter - fertig war in 1:12,5 der 13. Sieg aus lediglich 17 Versuchen, mit dem der braune Bomber, an dessen Manier und Exterieur ganz sicher auch der trabrennsportliche Weltenbürger Charlie Mills seine Freude gehabt hätte, nun 229.599 Euro reich ist. Kein schlechter Schnitt für Einen, den Hallers langjährige österreichische Besitzerfamilie Bauer bei der Derby-Auktion 2014 für ganze 7.500 Euro an Land gezogen hat und der sich nun wieder den fetten Prämientöpfen Frankreichs zuwenden wird: Am 14. August soll er in Enghien sein nächstes Engagement im Prix de la Porte Versailles um 70.000 Euro wahrnehmen, für das er den überaus warmen Applaus der hiesigen Zuschauer mitnimmt. Der Mumm, dem großen Favoriten tapfer die Stirn geboten zu haben, wurde Cash Hanover mit dem sicheren Ehrenplatz vor Stark Bi entgolten.

Keine Überraschung im Derby-Cup

Pelle Barosso mit Fahrer Josef Franzl hat die Nase im Derby-Cup vorne (Foto: Marius Schwarz)

Auch der erste sportliche Höhepunkt war nur mit sechs Aspiranten bestückt, auch er wanderte in weiß-blaue Gefilde. Wobei der mit 7.500 Euro dotierte Derby-Cup der Vierjährigen „aufm Platz“ als echter Langweiler daherkam, denn Pelle Barosso vor Kentucky Bo lautete die Reihenfolge nach 200 wie 1900 Metern. Josef Franzl durfte mit dem verhinderten Derby-Starter 2017 in Seelenruhe schalten und walten, wie er wollte, legte ausgangs des Schlussbogens ein gehöriges Pfund drauf und war durch nichts mehr zu erschüttern. Die krachende Bayern-Doublette vollendete Rudi Haller, der mit Kentucky Bo gut beraten war, dem 1:13,3 auslaufenden Favoriten bei der Kommandoübernahme keinen Stein in den Weg gelegt zu haben. „Ich hoffe, er bleibt endlich mal eine Weile gesund und kann alle zwei, drei Wochen starten. Im Training ist er nämlich kein Weltmeister; er braucht Rennen, damit er mal den Gipfel seiner Kapazitäten erreicht“, hoffte Franzl auf anhaltende Gesundheit für die Zukunft, „immer wieder sind uns kleinere Malaisen dazwischengekommen.“

Den Amateuren blieb die erste Siegerschleife der sieben tollen Renntage vorbehalten. In einer „Zuchtmeisterschaft“ der Bins-Traber hielt Sarah Kubes in Schweden registrierter Gonzales Greenwood sich für das kürzlich erlittene Pech schadlos. Nach betulichem Start riss er mit energischem Zwischenspurt einen Kilometer vorm Ziel den Taktstock an sich und widerstand dem Konter seines in Deutschland eingetragenen Verfolgers Miguel Greenwood recht sicher um einen „Hals“, womit das Meeting für Berlins in letzter Zeit ziemlich gebeutelten Thorsten Tietz schwungvoll begann.

Genau andersherum lief es unmittelbar danach im Trabreiten, bei dem der ebenso laufgewaltige wie kapriziöse Vrytzen mit seinem 20-Meter-Bandvorteil gar nichts anzufangen wusste und im Mittelfeld verschwand. Umso stärker präsentierte sich der hünenhafte Franzose auf dem zweiten Kilometer, wurde von Sytske de Vries mit aller Finesse ans vordere Duo herangeführt und wischte an dem schon mit dem Sieg liebäugelnden Ramazotti Diamant wuchtig vorbei.

Danach waren wieder die Amateure an der Reihe, bei denen Hans-Jürgen von Holdt mit seinem Paradepferd Wildcat Hanseatic der gewiss nicht schlechten Konkurrenz Start-Ziel Saures gab. Für die erst Anfang des Vorjahrs in den Rennbetrieb eingestiegene Sechsjährige war der 13. Volltreffer in 1:13,6/1900m nicht viel mehr als eine schärfere Übungseinheit für die am Donnerstag anstehende Internationale Meisterschaft der Amateure.

Nimczyk mit Doppelsieg

Das Rendezvous der über 2500 Meter gescheuchten Trotteurs Français wurde eine sichere Beute Michael Nimczyks, der sich aus einem bis zum Schluss zusammenbleibenden Quintett mit dem in Polen von Robert und Magdalena Kieniksman vorbereiteten Diego du Bellay um eine Länge durchsetzte. Viel leichteres Spiel hatte Deutschlands Goldhelm gleich im Anschluss mit Kiss Me Bo, die auch beim vierten Start ihrer spät begonnenen Karriere vorneweg nicht zu ballern war und sich auf 1:15,5 steigerte. Die kleine Schwester der 2013er Stuten-Derby-Fünften Donna Kievitshof, auch sie eine Füchsin mit einer markanten Gesichtszeichnung, offenbarte gehöriges Potential nach oben.

 

Seinen Treffer setzte Berlins Lokalmatador Thorsten Tietz mit Gri Maximus, den er sich immer besser hingebogen hat. Selbst die Todesspur konnte den vierjährigen Wallach nicht bremsen, der sich Frontrenner Chuckaluck souverän zum vierten Sieg in Folge zur Brust nahm. Einen dritten Treffer für das Quartier aus Schöneiche verhinderte im Abschlussrennen die vorneweg wie entfesselt marschierende Opalis, mit der Franz Klein als einziger „Dreistelliger“ bei 114:10 souverän seine Bahnen zog. Jolie Coer bzw. Sarah Kube, die außen rum bei 1:13,8 kein leichtes Amt hatten und letztlich auf Rang vier landeten, musste genauso chancenlos wie alle anderen anerkennen, dass diese Schwarzbraune heute nicht zu kippen war.

Umsatz bei 9 Rennen: 224.073,59 Euro (incl. 163.678,94 Euro Außenumsatz)

Umsatz PMU-Rennen (Rennen 4 bis 7) in Frankreich: 1.093.136 Euro

Quelle: Berliner Trabrenn-Verein (BTV)