Handball / Füchse: Vor dem Rückspiel im EHF-Cup

Unmöglich möglich

Ersatzgeschwächt biegen die Füchse Berlin auf die Zielgerade der Saison. Im EHF-Pokal droht das Aus – acht Tore Rückstand müssen aufgeholt werden.

Bericht+Fotos: Eike Ahlhausen

Jetzt wird's eng: Die Füchse sind im Rückspiel gegen RK Nexe gefordert (Archivfoto: Eike Ahlhausen)

Die Fans der Füchse Berlin haben ihren Humor noch nicht verloren. Ob die Situation nur hoffnungslos sei oder bereits unlösbar, fragte ein Anhänger die anderen Teilnehmer in einem Füchse-Fan-Forum am Samstagabend des vergangenen Wochenendes. Das Vorspiel zu der folgenden, lebhaften Diskussion hatten die Handballer der Füchse aus Reinickendorf eigenhändig bestritten – im fernen Kroatien, nur wenige Stunden zuvor. Dort mussten die Füchse Berlin im Hinspiel des Europapokal-Viertelfinales eine deutliche Niederlage hinnehmen. Im kroatischen Nasice verlor die Mannschaft bei RK Nexe mit 20:28, zur Halbzeit stand es 9:12. Der kurze Zeit nach dem Spiel verbreitete Pressetext der Füchse Berlin klang dann so: „Die Mannschaft konnte die weiteren Ausfälle der letzten Tage nicht kompensieren und fand über 60 Minuten nicht zu ihrem Spiel. Für Trainer Velimir Petkovic steht jetzt viel Arbeit an für das Rückspiel am kommenden Samstag (28. April, 19 Uhr, Max-Schmeling-Halle), um das Team wieder aufzurichten und die Chance auf das Halbfinale zu bewahren."

Was also war in den letzten Tagen vor dem wichtigen Auswärtsspiel passiert, das der erste Schritt Richtung Final Four im EHF-Pokal für die Berliner Handballer sein sollte?

Fest steht: Unter ungünstigen Voraussetzungen waren die Füchse von Berlin nach Kroatien gereist. Unmittelbar nach dem Spiel beim THW Kiel am vorvergangenen Donnerstag ging es nach Nasice, eine beschwerliche Reise mit zwei Flügen und einer fast vierstündigen Busfahrt. Der Reisetag war auch der einzige Ruhetag, denn nur 48 Stunden nach dem Kiel-Spiel wurde in Nasice angepfiffen. Dazu kamen auch noch die weiteren Spielerausfälle, denn Mattias Zachrisson und Kreisläufer Erik Schmidt konnten die Weiterreise von Kiel aus verletzungsbedingt nicht antreten.

Ausfälle konnten nicht kompensiert werden

Velimir Petkovic

Trainer Velimir Petkovic stand mit Johann Koch nur ein Spieler am Kreis zur Verfügung, zudem fehlte ihm mit dem bereits angesprochenen Zachrisson ein Allrounder, der in den vergangenen Wochen sehr geschätzt wurde und trotz geringer Körpergröße sogar aus dem Rückraum mehrere Treffer markieren konnte. Gerade einmal zehn Feldspieler standen insgesamt noch im Kader, der langzeitverletzte Paul Drux gehörte wie so oft in den vergangenen Monaten ebenfalls nicht dazu. Zehn Feldspieler – das ist nicht nur Saison-Minusrekord, Geschäftsführer Bob Hanning konnte sich nach eigener Aussage nicht erinnern, dass seine Füchse jemals derartig dezimiert antraten.

Die Heimmannschaft von RK Nexe witterte entsprechend ihre Chance und bestimmte von Beginn an die Partie. Die Füchse schafften es nicht, eine stabile Abwehr zu stellen und luden die Kroaten ein, erfolgreich auf Torejagd zu gehen. Zusätzlich wurden von den Berlinern reihenweise freie Chancen vergeben. Normalform erreichte nach Aussagen von Trainer Velimir Petkovic keiner seiner Schützlinge.

In der – vor allem aufgrund der vergebenen Chancen – torarmen Partie lagen die Füchse zur Pause mit 9:12 zurück. Eigentlich ein geringer Rückstand mit der Chance, die Partie zu drehen. Doch die kroatischen Hausherren um den früheren Bundesligaprofi Vedran Zrnic waren gut im Spiel und legten nochmals eine Schippe drauf. Die Füchse hatten keine Mittel, um der Mannschaft aus Nasice vor eigener stimmungsvoller Kulisse Paroli zu bieten. Unaufhaltsam erhöhte RK Nexe den Vorsprung Tor um Tor – bis zum deutlichen Endstand von 28:20. Ein Desaster für die trotz Verletzungspech und unkomfortabler Anreise vor dem Spiel hoffnungsvollen Berliner.

Teilnahme am Final Four war eingeplant

So nehmen die Füchse die hohe Bürde von acht Toren Rückstand mit in die Heimat und in das Rückspiel am kommenden Samstag. Der Einzug in das Finale im EHF-Pokal an Pfingsten ist nun in ernsthafter Gefahr. Eine Nicht-Qualifikation wäre ärgerlich, finden die Finalspiele doch fast vor der eigenen Haustür im nahe gelegenen Magdeburg statt. Eine Teilnahme war fest eingeplant. Jedenfalls bis zum Viertelfinal-Hinspiel in Kroatien, das unter derart misslichen Umständen gespielt werden musste.

Volker Zerbe, Sportkoordinator der Füchse, erklärte den Formabfall seiner Mannschaft nach der Partie vor allem durch mentale Aussetzer: „Das ist eine schmerzhafte Niederlage, wir haben phasenweise regelrecht den Kopf verloren. Wir haben nicht richtig dagegengehalten. Ein deutliches Zeichen war auch die Wurfquote, wir haben viele freie Torwürfe vergeben, egal ob von außen, vom Kreis oder auch beim Siebenmeter." Seinen Männern fehlten der kühle Kopf und die nötige Aggressivität, die Niederlage schmerze sehr, so der 49-jährige ehemalige Nationalspieler: „Wir müssen uns nun zusammensetzen und große Besserung geloben, damit wir das Unmögliche im Rückspiel noch möglich machen. Aber erst einmal sitzt der Stachel richtig tief. Jeder sollte für sich erst einmal darüber nachdenken, was heute hier passiert ist." Hoffnung klingt anders.

Drago Vukovic, kroatischer Rückraumspieler der Füchse, kommentierte die Angelegenheit ebenfalls reichlich angefressen: „Ich muss sagen, das war richtig dumm, das war eine Kopfsache. Wir haben so viele freie Chancen vergeben und standen nicht kompakt in der Abwehr, dann kann man das Spiel nicht gewinnen." Der 34-Jährige führte weiter aus, man hätte heute gesehen, dass sie gegen jeden verlieren können, aber auch gegen jeden gewinnen, dafür müsse man aber viel, viel besser auftreten. „Das wird richtig schwer, um in Berlin acht Tore zurückzuholen, aber wir müssen alles dafür geben", stellte Vukovic hinten an – es klang allerdings mehr wie eine Durchhalteparole, auch Vukovic war mächtig bedient.

Ob eine Aufholjagd gelingen kann, zeigt sich morgen beim Rückspiel im heimischen Fuchsbau. Die Vorzeichen stehen nicht gut. Doch warum sollten die Berliner das Unmögliche nicht doch noch möglich machen und den widrigen Umständen die kalte Schulter zeigen – acht Tore sind doch nicht die Welt!?