Handball: Füchse starten in die Rückrunde

Für immer Vierter

Bericht: Eike Ahlhausen*

Foto: Zusammenstehen - wichtig für die Füchse in der Rückrunde

Die Füchse Berlin haben ihren Angriff auf einen Spitzenplatz in der Bundesliga noch nicht aufgegeben. Ein neuer Trainer und ausgeruhte Nationalspieler sollen dabei helfen.

Wer die Mimik von Bob Hanning während der letzten Spiele der Hinrunde lesen wollte, musste ihn erst mal suchen. Saß er in der letzten Saison noch neben Spielern, Coach und Sportdirektor gut sichtbar auf der Trainerbank, hatte er inzwischen die Seiten gewechselt. Der Platz des Geschäftsführers der Berliner Füchse ist jetzt am Rande der Pressetribüne, einer langgezogenen Tischreihe direkt hinter der Werbebande, vis a vis zur Trainerbank. Wer ihn dort gegen Ende des vergangenen Jahres beobachtete, konnte seiner Mimik einiges entnehmen. Zum Beispiel: er war genervt.

Leichter Abwärtstrend zum Ende der Hinrunde

Der Grund: Seine Füchse verloren gegen Ende des Jahres deutlich den Faden. Die Darbietungen wirkten fahrig und fahrlässig in Anbetracht des eigenen Potentials und der vorgegebenen Ziele. Denn Hanning wünscht sich endlich wieder einen Platz unter den ersten drei Teams des Landes, gleichbedeutend mit der Qualifikation zur Champions-League. Außerdem soll es im EHF-Pokal dieses Jahr bis ins Finale gehen.

Der Schaden der Schwächephase kurz vor Weihnachten blieb überschaubar: ein unnötiges Unentschieden in der Liga und ein erbarmungswürdig schwacher Auftritt im EHF-Pokal, der ohne Konsequenzen blieb. Doch Hanning wollte nicht länger zuschauen. Von seinem neuen Platz in der Halle hatte er auch freien Blick auf Erlingur Richardsson, seinen Trainer.

Der Perspektivwechsel des Geschäftsführers war für Richardssons Karriere bei den Füchsen fatal. Frontal konnte Hanning mitansehen, wie Richardson zunehmend den Zugriff auf sein Team verlor. Der Isländer wirkte am Ende seiner Zeit ratlos und zunehmend passiv. Wann diese Phase genau begann, kann keiner zuverlässig sagen, denn auffällig unauffällig war der 44-jährige Isländer von Anfang an bei den Berlinern.

Trainer Richardsson wurde entlassen

Die Pressevertreter hatten sich daran gewöhnt, dass Richardsson nicht mehr als zwei, drei banale Sätze zum Spielgeschehen präsentierte - Hanning übernahm das für ihn. Der Trainer war am Ende sogar zu unauffällig, um in die Schusslinie der Presse zu geraten. Und so erlebten die Füchse-Fans nach dem 15. Spieltag eine Trainerentlassung ohne Ansage - für viele kam sie aus heiterem Himmel.

Erst fünf Tage vor der Entlassung äußerte die Hauptstadtpresse überhaupt leise Zweifel am Trainer – und das auch nur, weil Hanning sie selbst säte, auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Melsungen Anfang Dezember. Es zeigt, wie gut Hanning seinen Job beherrscht - auf die Berliner Sportberichterstattung wirft es kein gutes Licht. Ohne Hannings Ansage schreibt hier kaum einer was.

Die Modalitäten der Entlassung überlies Hanning nach eigenen Angaben Richardsson zu guten Teilen selbst. Die Füchse wollten sich auf keinen Fall undankbar gegenüber ihrem Ex-Übungsleiter zeigen - immerhin gewann er zweimal die Klubweltmeisterschaft. Die Frage nach dem Zeitpunkt seiner Demission beantwortete der Isländer mit seinem sofortigen Rückzug am 12. Dezember. Da waren im Hintergrund die entscheidenden Strippen bereits gezogen. Plan B konnte anlaufen und der hieß Velimir Petković.

Petković soll für frischen Wind sorgen

Im Fokus: Velimir Petkovic (60), der neue Füchse-Trainer (Foto: ©Eike Ahlhausen)

Der 60 jährige Trainer aus Bosnien-Herzegowina konnte sein Glück kaum fassen. Hanning holte ihn aus dem vorgezogenen Ruhestand, der Bundesliga-Veteran war sofort Feuer und Flamme. „Seit Jahren schon habe ich auf den Anruf von Bob Hanning gewartet“, flachste der temperamentvolle Petkovic auf seinem ersten Pressetermin. Von 2005 bis 2013 trainierte er Frisch Auf Göppingen, konnte zweimal den EHF-Pokal gewinnen und wurde 2005 zum „Trainer der Saison“ in der Bundesliga gewählt.

Die Ausgangslage für die Füchse und ihren neuen Trainer ist klar: Vor Beginn der Rückrunde am 12. Februar beim TBV Lemgo (die Füchse gewannen das Spiel mit 34:29; die Red.) stehen sie auf Platz vier in der Tabelle. Unangefochten, könnten Spötter behaupten. Verfolger Hannover und Magdeburg liegen bereits sechs Punkte zurück, doch zu den drittplatzierten Rhein Neckar Löwen sind es auch schon vier Punkte. Wird es auch in diesem Jahr nichts mit dem von Hanning heiß ersehnten Platz unter den besten Drei? Bleiben die Füchse auf absehbare Zeit das Beste vom Rest - nicht gut genug für die Löwen, Flensburg oder Kiel, aber besser als alle anderen in der Liga? Für immer Vierter?

Petkovic ist angetreten, das zu verhindern. „Ich will da vorne rein“, zeigt er sich entschlossen. Inwieweit das realistisch ist, bleibt abzuwarten. Ein wenig entsteht der Eindruck, Trainer Petkovic - ein ausgewiesener EHF-Pokal-Spezialist - wurde als Feuerwehrmann geholt, um die Saison zu retten. Ein Erfolg im Europapokal könnte über den vierten Platz in der Liga hinweg trösten.

Frühes WM-Aus als Vorteil für die Füchse?

Petkovic als Übergangslösung? Auf Nachfrage verneint Hanning. „So lange er gute Leistung bringt, kann er bleiben“ antwortete er etwas flapsig, schiebt aber noch hinterher: „Im besten Falle so lange wie Dagur“. Gemeint ist der inzwischen ehemalige Nationaltrainer Dagur Sigurdsson, der von 2009 bis 2015 die Berliner Füchse trainierte, also eine halbe Ewigkeit.

Zum weiteren Gelingen der aktuellen Spielzeit kann das frühe Ausscheiden der Deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Frankreich beitragen - völlig unerwartet war bereits im Achtelfinale Schluss gegen Katar. Was kurzfristig auf die Moral der Nationalspieler Paul Drux, Steffen Fäth und Silvio Heinevetter schlug - langfristig ist es Gold wert für das Mannschaftstraining von Velimir Petković. Auch der kroatische Kreisläufer Kresimir Kozina (kann wegen eines inzwischen erlittenen Bänderrisses frühestens im März wieder spielen; die Red.) meldete sich zeitgleich mit seinen deutschen Kollegen zurück zum Alltagsdienst - die Feinabstimmung in der Angriffsformation konnte früher beginnen als geplant.

Wann Fabian Wiede wieder daran teilnehmen wird, bleibt zunächst einmal offen. Nach seiner Schulter-OP im Dezember befindet sich der 22 jährige Rückraumspieler noch in der Rehabilitation. Der Rückrundenstart kommt für ihn eventuell zu früh, doch spätestens Ende Februar möchte auch er wieder ins Geschehen eingreifen - dann aber bestimmt nicht, um Vierter zu werden.

*Der Beitrag wurde bereits Anfang Februar verfasst und erscheint hier in zweiter Veröffentlichung