Galopp: Großer Preis von Berlin

Regen unerwünscht – Windstoß nicht

Die Galopprennbahn Hoppegarten feiert am 12./13. August ihren Saisonhöhepunkt – wichtigstes Rennen: der traditionsreiche “Große Preis von Berlin“ am Sonntag

Der nicht ganz in der Materie bewanderte Besucher der Galopprennbahn Hoppegarten mochte sich vielleicht gewundert haben, dass dort Ende Juli noch ein „After Work-Raceday“ ausgetragen wurde. Zweieinhalb Wochen vor dem Saisonhöhepunkt laufen die Pferde an einem Mittwochnachmittag nochmal in zehn Prüfungen? Gerade angesichts der zum Teil sintflutartigen Regenfälle, die im Juni und Juli über der Hauptstadtregion niederprasselten, mochte man sich Sorgen machen, dass das Geläuf vor dem Wochenende des Großen Preises von Berlin doch allzu arg ramponiert werden könnte.

Doch außer dem „Grand Prix Festival Meeting“ an diesem Sonnabend und Sonntag gibt es in Hoppegarten eben nur neun weitere Renntage in diesem Jahr. Drei davon sind zudem an Werktagen - also „After Work“ – und ziehen traditionell nicht so sehr Publikum an wie an den Wochenenden. Dennoch zählt auch jeder Renntag und bedeutet bares Geld. Und was die Bodenverhältnisse angeht: nur Anfang Juni wurde davor noch vor den Toren Berlins geritten. Dazu gilt die Bahn als sehr stabil auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen.

Bahnpflege: Ausbesserungsarbeiten nach den Rennen gehören dazu

So hatten die Greenkeeperinnen während der Rennen zwar zu tun, aber nicht übermäßig – und gingen ihrer Arbeit keineswegs hektisch nach. Regen wird natürlich dennoch nicht gerne von den Veranstaltern gesehen – der „After Work-Raceday“ lag z. B. mitten in einer verregneten Woche und dürfte schon allein deshalb zahlreiche potenzielle Besucher abgehalten haben. Dass es dann am Nachmittag selbst vergleichsweise glimpflich in Bezug auf die Niederschläge zuging, konnte daran nicht mehr viel ändern. Lediglich etwas mehr als 1.000 Besucher fanden sich schließlich ein.

Dazu liegt die „Rennbahn im Grünen“ für Berliner Kurzentschlossene dann doch zu weit draußen. Eine dreiviertel Stunde braucht man etwa vom Hauptbahnhof mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hoppegarten, vom dortigen S-Bahnhof sind es nochmal zehn Minuten Fußweg. Jeder ausbleibende Reitsportinteressierte kostet allerdings nicht nur den Eintritt, sondern auch den ein oder anderen Euro Einsatz am Totalisator. Entsprechende Wettumsätze sind für die Veranstalter von Pferderennen – sei es nun Trab oder Galopp – weiterhin von Bedeutung.

Ausgerechnet beim Topereignis des deutschen Galopprennsports, dem Deutschen Derby in Hamburg-Horn Anfang Juli, kostete das schlechte Wetter bereits reichlich Besucher – der Eröffnungstag fiel sogar komplett ins Wasser. So wird das Hoppegartener Führungsteam um Bahnbesitzer Gerhard Schöningh die Daumen fest drücken, dass sich Petrus an diesem Wochenende als Freund des Pferderennsports erweist.

Höhepunkt ist der „Große Preis von Berlin“ am Sonntag, mit insgesamt 175.000 Euro dotiert und eines von nur sieben in Deutschland ausgetragenen Gruppe I-Rennen. Die Veranstaltung hat eine lange Historie, an der auch die geschichtlichen Umbrüche offenbar werden. Im Jahr 1888 fand es erstmals in Hoppegarten statt, 1909 folgte der Umzug nach Grunewald im Westen der Stadt.

Ausgerechnet die Olympischen Spiele 1936 verhalfen dem Großen Preis zu einem Comeback am ursprünglichen Austragungsort: von den Umbauarbeiten auf dem geplanten „Reichssportfeld“ war auch der Grunewalder Kurs betroffen. So ging das Rennen 1934 zurück nach Hoppegarten und wurde dort noch zehn Jahre ausgetragen.

Nach Kriegsende und der Teilung Berlins zog der Große Preis als der von Nordrhein-Westfalen weiter nach Düsseldorf . Dreißig Jahre später erhielt er dort seinen ursprünglichen Namen wieder, wurde dann 1996 in „Deutschlandpreis“ umbenannt.

Hoppegartens "Schirm-Herr": Eigentümer Gerhard Schöningh (r.) sorgt auch schon mal für eine Siegerehrung im Trockenen

Die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten der Nachwendezeit, die der Galopprennbahn Hoppegarten besonders schwere Momente bescherte, sorgten dafür, dass der große Preis von Berlin erst 2011 wieder am ursprünglichen Standort stattfinden sollte.

Mit Gerhard Schöningh hatte sich 2008 ein privater Investor gefunden, der der Rennbahn erst einmal mittelfristig das Überleben sichern konnte. Und die Faszination war schnell wieder hergestellt: über 10.000 Galoppfreunde pilgerten zur ersten Austragung in Hoppegarten seit 67 Jahren. Im Jahr 2015 wurde der Große Preis von Berlin als bestes Rennen der Saison ausgezeichnet.

Traditionell trifft sich hier der eine oder andere Derbyteilnehmer sechs Wochen nach dem Galopphöhepunkt in Hamburg-Horn erneut zum Kräftemessen über die Distanz von 2.400 Metern. Und so ist es auch diesmal: mit Spannung erwartet wird der Auftritt von Windstoß, dem Derbysieger 2017. Die Geschichte des Dreijährigen ist ja schon eine für sich: auf der Jährlingsauktion 2015 in Baden-Baden wurde er für 12.000 Euro angeboten – allerdings fand sich kein Käufer. So blieb er dem Gestüt Röttgen erhalten, dem er nun den ersten Derby-Sieg seit 1959 bescherte.

Dazu spielte Windstoß allein mit diesem Triumph über eine halbe Million Euro ein. Dabei zählte er zwar zum erweiterten Favoritenkreis, ging aber mit dem Malus eines Sturzes vier Wochen zuvor auf der Neuen Bult in Hannover in den Saisonhöhepunkt. Mit dem erst 26 Jahre alten Maxim Pecheur im Sattel preschte er dann am 2. Juli aber der Konkurrenz am Ende auf und davon.

Derby-Sieger 2017: Jockey Maxim Pecheur - hier auf Romantic Angel beim Hoppegartener After-Work-Raceday im Juli - gewann mit Windstoß auf der Galopprennbahn Hamburg-Horn

Beim Großen Preis in der Hauptstadt gibt es nun ein Wiedersehen mit Colomano, der noch eine Scharte auszuwätzen hat. Der im Gestüt Fährhof gezogene Hengst galt mit Jockey Andreas Helfenbein als Topfavorit auf die Derby-Krone, lief dann auf dem 13. Platz aber unter „ferner liefen“ ein. Mit Shanjo (4.) und Monreal (6.) sind auch zwei Pferde am Start, die in Hamburg-Horn im vorderen Feld landeten. Dem nicht genug, ist mit Sirius der Sieger des Großen Preises von 2014 wieder in Hoppegarten dabei.

Dazu unterstreichen einige Teilnehmer aus England, Irland und Frankreich den internationalen Stellenwert des Rennens. Best Solution und Permian etwa gingen Anfang Juni beim legendären Derby von Epsom ins Rennen. Keine Frage also: das Starterfeld wird dem eines Topereignisses im deutschen Galoppsport mehr als gerecht.

Beendet wird die Saison dann im Oktober, wenn u. a. der Preis der Deutschen Einheit (03.10.) in Hoppegarten stattfindet. Vielleicht wird man sich zu dieser Gelegenheit eher noch einmal Gedanken über den Zustand der Anlage machen müssen - denn ausgerechnet im rennfreien September steht das Gelände wohl vor einer der größten Belastungsproben seiner Geschichte. Dann, wenn zum Musikfestival „Lollapalooza“, das erstmals in Hoppegarten durchgeführt wird, an zwei Tagen etwa 140.000 Besucher erwartet werden.

Beitrag+Fotos: Berlinsport Aktuell/Hagen Nickelé