Football: Vor dem Berlin-Derby*

Gleich zu Beginn der Saison 2017 kommt es in der Nord-Staffel der German Football League (GFL) zum Berliner Derby zwischen den Teams der Rebels und der Adler (29. April, Mommsenstadion)

Schon am Eingang zum Trainingsgelände wird der Besucher mit den wichtigsten Eckdaten zum Verein bekannt gemacht. Im Jahr 1979 gegründet gehört der AFC Berlin Adler zu den absoluten Urgesteinen des American Football in Deutschland, war Gründungsmitglied der Bundesliga und holte sechs Meistertitel. In diesem Jahrtausend reichte es jedoch „nur“ 2004 und 2009 für die nationale Krone. Danach sorgten die Adler aber 2010 und 2014 mit dem Gewinn des Euro Bowl noch für Aufsehen.

„ADEL“ VERPFLICHTET DIE ADLER – AUCH ZU AUGENMASS

Head Coach Eric Schramm (Berlin Adler)

Doch Tradition und Anspruch hatten ihren Preis. Vor Beginn der folgenden Saison hatte man sogar Probleme, ein Team in der Deutschen Meisterschaft an den Start zu bringen. Grund: finanzielle Probleme. Per Crowdfunding – also dem Einsammeln von Spenden im Internet – konnte das Defizit im letzten Moment noch ausgeglichen werden, sonst wäre es 2015 um den ruhmreichen Verein wohl geschehen gewesen.

In der Folge konnte man im Wedding natürlich nur noch von Titeln träumen. Die finanzielle und sportliche Konsolidierung war oberstes Gebot – in der Nordstaffel der inzwischen in German Football League (GFL) umbenannten Spielklasse wurde man 2015 und 2016 jeweils Tabellensechster, verpasste so deutlich die Playoffs, konnte aber auch einen Abstieg vermeiden.

Noch unangenehmer als diese Zahlen war jedoch die Tatsache, dass der bis dahin unangefochtenen Nummer 1 in der Hauptstadt ein ernsthafter Konkurrent erwuchs: die Berlin Rebels, die zuletzt zweimal in der Tabelle vor den Adlern und 2016 erstmals sogar in den Playoffs landeten, während der „Hauptstadtadel“ in die Röhre guckte. Klar, dass man diese Scharte bei den Schwarz-Gelben schnellstmöglich auswetzen will. Vereinsikone Roman Motzkus, einer größeren Öffentlichkeit auch als Football-Experte des TV-Senders Sat1 bekannt, äußerte sich im Vorfeld der Saison bereits zuversichtlich. Der frühere Tight End ist der erfolgreichste Adler aller Zeiten mit 102 Touchdowns und nicht nur als Mitglied immer noch im Verein aktiv, sondern gibt an Spieltagen auch den Stadionsprecher.

Adler-Quarterback Paul Zimmermann

Überhaupt sind viele der Offiziellen und Spieler ihrem Verein treu geblieben. Eric Schramm ist auch so einer, er ist der aktuelle Head Coach der Berlin Adler - also derjenige, der in dem mehrköpfigen Trainerteam das letzte Wort hat. Mit erst 33 Jahren hat Schramm, der sich wegen einer Verletzung für ein frühzeitiges Karriereende entschied, bereits seinen Traumjob gefunden. Denn er ist hauptamtlicher Football-Trainer - und das bei dem Verein, für den er schon immer dem Ei hinterher gejagt ist.

Der nun zwei Jahre währende sportliche Durchhänger soll Vergangenheit sein, weil der finanzielle Spielraum sich mittlerweile vergrößert hat – schuldenfrei sind die Adler allerdings nicht. Deswegen muss der erwünschte Fortschritt mit Bedacht verfolgt werden. Aber: die Playoffs hat sich Eric Schramm schon zum Ziel gesetzt – zumindest sollen seine Schützlinge bis zum Schluss um Platz 4 in der Nord-Staffel ein Wörtchen mitreden.

Eine der Schlüsselfiguren auf diesem Weg wird Paul Zimmermann sein – auf der Position des Quarterback ist er in der GFL dabei gleich in doppelter Hinsicht eine Ausnahme. Mit gerade mal 20 Jahren ist er ausgesprochen jung, dazu wird die zentrale Stelle in deutschen Teams in der Regel mit US-Amerikanern besetzt. Zimmermann aber kommt aus dem Nachwuchs der Adler und gilt als besonderes Talent. Schon vergangene Saison konnte er teilweise glänzen und erzielte sogar selbst einige Punkte – hatte aber auch mit altersüblichen Leistungsschwankungen zu kämpfen.

Leader-Typ: Devon Francois (Berlin Adler)

Trainer Eric Schramm versteht Zimmermann aber nicht als „Notlösung“ aus den eigenen Reihen, sondern will den Youngster gemeinsam mit seinem Team wachsen lassen. Dass auf diesem Weg aber auch weiterhin gepunktet wird, dafür soll auch wieder Devon Francois sorgen. Der US-Amerikaner war letzte Saison eigentlich als Verteidiger zu den Adlern gekommen, bewies dann aber eine solche spielerische Qualität, dass er in die Position des Running Back beordert wurde. Dort war er selbst nicht nur für zahlreiche Punkte verantwortlich, sondern erzielte im Bereich „Raumgewinn“ ligaweite Spitzenwerte.


                  BERLIN REBELS vs BERLIN ADLER

   Sonnabend, 29. April, 15 Uhr im Mommsenstadion


Es passt ein bisschen in die Misere der vergangenen Jahre bei den Adlern, dass Francois mitten in der Saison 2016 seine Zelte in der Hauptstadt abbrechen musste und somit fehlte. Doch dieses Jahr ist der 24-Jährige, der weiß, was er an Berlin und den Adlern hat, wieder zurück. Zum Auftakt der GFL Nord bei den Hamburg Huskies (die Adler gewannen mit 30:8, die Red.) wird Francois also für den Traditionsclub aus Berlin auf dem Platz stehen – bevor es eine Woche darauf im Derby bei den Rebels zur Sache gehen wird.

REBELLEN DRÄNGEN INS ESTABLISHMENT

Rebels-Coach Kim Kuci

Kim Kuci ist im zweiten Jahr wieder Head Coach bei den Berlin Rebels. Noch als Aktiver hat er das Football-Geschehen in der Hauptstadt maßgeblich mit geprägt. Zu Zeiten der NFL Europe war er etwa als Running Back bei Berlin Thunder angestellt, spielte in der GFL für einige Topteams. Bei den Rebels hat er nicht nur mit dem Footballspiel begonnen, sondern später auch als Trainer im „Staff“, dem Gespann, begonnen.

Kuci hat dazu eine Vergangenheit beim Lokalrivalen. Als Spieler trug er auch die Farben der Adler und holte als Head Coach mit den Weddingern deren letzten großen Titel – den Euro Bowl 2014. Doch die Wege trennten sich anschließend schnell und der 43-Jährige kehrte zur Saison 2016 an seine alte Wirkungsstätte im Mommsenstadion zurück. Dorthin also, wo er 2013 mit den Rebels erstmals ein Punktspiel gegen die Adler gewann.

Die vergangene Spielzeit sollte dann so etwas wie der Durchbruch werden für den Club, der unter dem Dach des SC Charlottenburg existiert. Im Jahr 1987 hatte man sich im Streit – daher auch der Name „Rebels“ – als zweites Team von den Adlern verabschiedet und ging seiner eigenen Wege. Die waren allerdings lange Zeit nicht mit dem großen Erfolg verbunden.

Erst mit dem Aufstieg 2011 in die GFL gelang es, die oberste Spielklasse zu halten. Als es beim Konkurrenten kriselte, wollte man die Gelegenheit nutzen und dessen jahrzehntelange, sportliche Vormachtstellung angreifen. Bisher mit Erfolg, wie man bilanzieren kann: in den letzten zwei Jahren belegte man am Ende einen Platz vor den Adlern.

Doch nicht nur das: im vergangenen Jahr qualifizierte man sich sogar für die Playoffs, wo allerdings gleich im Viertelfinale Schluss war. Belohnung für die Premiere in der Vereinsgeschichte aber ist die diesjährige Teilnahme am europäischen Wettbewerb der „Big 6“, in dessen Rahmen am 22. April bei den Milano Seamen der Startschuss für die Saison 2017 stattfindet (die Rebels verloren mit 13:14, die Red.).

Rebels-Präsident: Andreas Riedel

Bei allem Erfolg – und gewachsenen Ansprüchen - wollen die Rebels aber ihrem Prinzip treu bleiben: kein Geld auszugeben, das man nicht hat. Dafür steht Präsident Andreas Riedel, gewissermaßen ein Rebel der ersten Stunde, der bei Gründung des Clubs 1987 schon dabei war. Der Mann mit der Statur des ehemaligen Defensive Backs füllt sein Amt und die damit verbundenen Handlungen quasi mit Leib und Seele aus.

Nach dem Erfolg der letzten Spielzeit hat man sich natürlich auch diesmal die Playoffs auf die Fahnen geschrieben. Es entspricht der Philosophie, aber auch der sportlichen Situation des Clubs, dass man dazu vor dieser Spielzeit nur wenige Änderungen im Kader vorgenommen hat. Terell Robinson etwa, letzte Saison Quarterback bei den Rebels, wollte sich verändern. Die Verantwortlichen waren jedoch vorbereitet und verpflichteten mit James Harris einen viel versprechenden Mann für die zentrale Position im Team. Den 25-jährigen US-Boy hatte man ohnehin schon im Visier gehabt.

Quarterback James Harris (Berlin Rebels)

Als Backup für die Position konnte man dazu den erfahrenen Darius Outlaw für eine weitere Spielzeit gewinnen. Der Routinier hatte die letzte Saison schon als Quarterback begonnen, seine Vielseitigkeit dann aber auf der Position des Wide Receivers unter Beweis gestellt. Darüber hinaus ist Outlaw mit seiner lockeren Art und der stets guten Laune ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Teamgeist.

Und dann ist da natürlich Larry McCoy – mit 24 Touchdowns und 148 erzielten Punkten drittbester Scorer der vergangenen GFL-Hauptrunde. Ob der 27-Jährige auch diese Spielzeit den schwarz-silbernen Dress der Rebels tragen würde, war längere Zeit unklar – schließlich hatten ihn zuletzt die Pittsburgh Steelers zur Probe eingeladen. Doch eine Verpflichtung beim NFL-Club kam nicht zu Stande – und schließlich wusste auch McCoy, seit 2014 bei den Rebels, was er an Verein und Stadt hat.

Anfang März stand jedenfalls fest, dass der Running Back auch 2017 für die Charlottenburger an den Start geht. Gemeinsam mit Christopher Smith, der vom Meister New Yorker Lions aus Braunschweig gekommen ist, könnten die „Hauptstadtrebellen“ so offensiv für reichlich Furore sorgen – und sich schnell unter den Playoff-Teilnehmern der GFL Nord etablieren.

*Dieser Beitrag wurde bereits vergangene Woche an anderer Stelle veröffentlicht

Beitrag+ Fotos: Berlinsport Aktuell / Hagen Nickelé