Berlinsport-Aktuell auf Tour (1/2)

Jo Lißner vom Volleyballklassiker Fr'hafen - Berlin

Jo Lißner unverkennbar neutral in der Friedrichshafener ZF-Arena (Foto: Irina Lißner)

„Dit is knorke“ ist wieder auf Tour, diesmal am Bodensee. Am Sonntag, dem 5. März, klärt sich in Friedrichshafen die Frage: Wer hat die beste Ausgangsposition für die unmittelbar danach beginnenden Playoffs der Volleyball-Bundesliga? Es ist der letzte Tag der Bundesliga-Hauptrunde. Zu Gast in der ZF Arena sind die Berlin Recycling Volleys, der punktgleiche Tabellenzweite hinter den „Häflern“.

Die Anfahrt mit dem Zug nach Friedrichshafen von Ulm aus ist wie im alten Lied von der „Schwäbschen Eisenbahne“ mit „gar viele Haltstatione“: Biberach, Meckenbeuren und Durlesbach lernt man alle kennen. Auch manches Museumsfahrzeug am Streckenrand. Nur macht die Bahn nicht mehr „Rullala“, sondern eher „Zisch“, denn sie ist zwar nicht elektrifiziert, aber für hohe Geschwindigkeiten ausgebaut.

Bei der Ankunft in Friedrichshafen wird man von frühsommerlicher Wärme empfangen und spektakulären Blicken über den Bodensee auf das Alpenpanorama mit dem Säntis in der Schweiz nahe St. Gallen. Hier wurden schon seit 1912 Zeppeline gebaut und auch heute prangt ZF (für Zahnradfabrik) an vielen Gebäuden, es gibt ein sehenswertes Zeppelin-Museum.

Man könnte glatt vergessen, dass es auch andere Gründe gibt, nach Friedrichshafen an den Bodensee zu fahren. Auch hier spielen die Buchstaben ZF eine Rolle, denn außer viel Touristischem, aber auch Arbeit für die Region, hat die Stadt Friedrichshafen auch ganz großen Sport zu bieten.

Rivalen mit Vorgeschichte

Der VfB Friedrichshafen war lange Jahre so etwas wie der FC Bayern des Männer-Volleyballs. Dieser Status war verknüpft mit dem Namen Stelian Moculescu, dem langjährigen Trainer und ganz einfach Macher beim VfB. Seit seinem Rückzug vom VfB hat hier Vital Heynen, vormals Bundestrainer und jetzt auch belgischer Nationaltrainer, sportlich den Hut auf. Mit dem sportlichen Erfolg hat er natürlich, offenes Geheimnis, sehr viel Einfluss, was Entwicklungen beim VfB angeht. Und ggf. auch Druckpotenzial. An diesem Sonntag geht es aber ganz simpel um Spitzensport.

Die Berliner konnten die Dominanz der Bodensee-Volleyballer durchbrechen und selbst eine kleine Dynastie aufbauen, die u.a. drei Meisterschaften in Folge gewann von 2012-2014. Danach siegte wieder Friedrichshafen, was die Berliner gleich zum Triple im Folgejahr animierte: Meisterschaft, Pokalsieg und Gewinn des CEV-Pokals.

Im Europapokal haben sich die Häfler gerade vor Beginn der KO-Phase aus der Champions League verabschieden müssen, während die Berliner als bester Tabellenzweiter ins TOP-12 eingezogen sind und mit Istanbul BBSK einen durchaus schlagbaren Gegner zugelost bekamen. Das Hinspiel findet am 15.3. in der Türkei statt, das Rückspiel in der Max-Schmeling-Halle ist auf Dienstag, den 21. März, 19:30 Uhr, terminiert.

VfB wird 2016/17 zum Angstgegner  der Volleys

In der Bundesliga haben die Berliner allerdings in dieser Spielzeit einen absoluten Angstgegner: den VfB Friedrichshafen. Dreimal trafen die Clubs in dieser Saison bereits aufeinander. Beim Supercup in Berlin, beim BL-Hinspiel in Berlin und beim Pokalfinale in Mannheim hatten die Berliner jeweils das Nachsehen. Oftmals knapp im Satz, aber im Resultat dann doch deutlich.

Im Volleyball ist ein Satz ein Satz, egal, ob er 45:43 oder 25:8 gewonnen wird. Auch Vital Heynen sagte stets, dass seine Mannschaft keinesfalls die bessere gewesen sei, aber sie habe eben die Sätze und damit das Match gewonnen. Der neutrale Beobachter fragt sich allerdings schon, ob das Gewinnen von Sätzen nicht doch ein Qualitätsmerkmal ist. Ob der überschwängliche Heynen da nicht sein Licht und das seiner Spieler immer unter den Scheffel stellt? Denn er meint es wohl tatsächlich so, wie er es sagt.

Ausgangslage: Der Sieger wird Erster

Nächster Lackmustest also im BL-Rückspiel in der ZF-Arena. Berlin will das Häfler-Trauma überwinden, die Tabellenspitze übernehmen und damit im wahrscheinlichen Finale gegen die Friedrichshafener über das eine Heimspiel mehr verfügen. Wenn 8.500 Zuschauer versuchen, die Volleys zum Sieg zu schreien. Nachdem die Friedrichshafener Arena oftmals nicht voll wurde, sind heute deutlich weniger Lücken zu erkennen - doch von ausverkauft (3.800 Plätze) kann dennoch keine Rede sein. 2.718 Fans, darunter auch wieder knapp 30 orangegewandete Vertreter des Berliner Fanclubs 7. Mann, freuen sich auf Spitzenvolleyball und Hochspannung.

Die Formel ist einfach: Wer gewinnt, ist Erster. Egal, wie hoch der Sieg ausfällt.BRV-Coach Roberto Serniotti vertraut Tsimafei Zhokouski (alternativlos, da Kühner immer noch verletzt ist), Wouter ter Maat (statt Paul Carroll), Graham Vigrass, Robert Kromm, Ruben Schott (seit einiger Zeit parallel zu Kromm statt als Ersatz für ihn), Felix Fischer und Luke Perry als Libero.

Der Gastgeber geht in Führung

Schnell zeigt sich im 1. Satz, dass sich die VfB-Spieler in den blauen Trikots wieder viel vorgenommen haben, denn sie holen mit letztem Einsatz noch viele Bälle, die sie dann in erfolgreiche Angriffe umsetzen. Die BR Volleys, heute in Schwarz, verlieren zu viele Punkte durch Fehlangaben und andere Eigenfehler. Trotz allem ist und bleibt es eine Partie auf Augenhöhe. David Sossenheimer vollstreckt den Satzball zum 26:24 und der 1:0-Führung für die Häfler.

Auch in Satz 2 bleibt die Fehlerquote der Berliner unvermindert hoch. Zur 2. technischen Auszeit ist die Häfler Führung mit 16:13 sogar einen Punkt höher als im 1. Satz. Vital Heynen wird später sagen, jeder in der Arena habe da an ein schnelles, klares 3:0 für sein Team geglaubt. Bei 19:17 für F‘hafen erwachen die Berliner allerdings aus ihrer Frühjahrsmüdigkeit oder was sie bislang befallen haben mag.

Volleys drehen das Spiel, VfB gleicht wieder aus

Auch Coach Serniotti wird nach wiederholt zweifelhaften Schiedsrichterentscheidungen zum HB-Männchen. Vielleicht sollte er öfter mal ausrasten. Robert Kromm behauptet zwar, die Spieler hätten das gar nicht wahrgenommen. Andererseits war das Spiel schon kurz verzögert. Auf jeden Fall spielen die Volleys konsequent, durchschlagskräftig und voller Selbstvertrauen: eben so, wie man sie kennt. Satz 2 geht mit 25:22 an Berlin.

Und Satz 3 geht nahtlos so weiter. Berlin dominiert mit starkem Aufschlag, reduziert radikal die Fehlerquote, gleichzeitig bekommen die Häfler ein massives Annahmeproblem, das dann schlechte Angriffe produziert. Satz 3 geht noch höher als der davor an die BR Volleys: 25:18.

Der Autor notiert „Nur nicht zu früh jubeln!“. Bis zum 10:7 für sie in Satz 4 bleiben die Berliner auf Kurs. Jetzt steigert sich Friedrichshafen wieder, gleicht aus, führt, holt den Satz mit 25:22. 2:2 - Der Tiebreak bis 15 Punkte muss die Entscheidung bringen.

Vorsprung im Tiebreak verspielt - Volleys verlieren erneut

Berlin ist gewillt, endlich den Sack zuzumachen. Schnell steht es 5:1 für Orange. Nur noch 10 Punkte, das muss doch gelingen. Außer, die Konzentration geht schlagartig in den Keller und man verlegt sich aufs Meckern, vermurkst Annahmen, stellt schlecht, schlägt sehenden Auges in den Block. Auch die Einwechslung des völlig kalten Paul Carroll, der zuvor im 3. Satz für einen Punkt in der Defensive spielen durfte, für den jetzt unglücklich agierenden Wouter ter Maat, hilft nicht mehr.

Allen Respekt für eine 14:5-Serie an den VfB Friedrichshafen, als das Spiel verloren schien. Entsprechend tosend der Jubel der Zuschauer, aufgekratzt Vital Heynen, der sein Team immer noch nicht für besser als das der Berliner hält, aber konstatiert, dass diese inzwischen „wohl ein Problem mit uns“ hätten. Vier Spiele ohne Niederlage belegen das glaubhaft. Coach Serniotti ist sehr aufgewühlt, sagt nur, sie müssten „jetzt weiter sehr viel trainieren“. Robert Kromm nimmt sich auch die Zeit fürs Gespräch und ist noch ganz geknickt von dem „Riesenhänger“ im 5. Satz.

So läuft es in den Playoffs

Die Friedrichshafener gehen nun mit Heimvorteil in alle Playoff-Serien. Ihr Viertelfinale geht gegen den Sieger aus Netzhoppers KW – TV Rottenburg. Die Berliner haben Heimvorteil im Viertel- und Halbfinale. Sie treffen im Viertelfinale ab dem 18.3. auf entweder Bühl oder Solingen. Geht alles nach Plan, ermitteln Friedrichshafen und Berlin ab dem 20.4. den Deutschen Meister. Die Favoritenrolle dafür scheint geklärt.