Berlin-Liga 2017/18: Vor dem Saisonauftakt

Blau-Weiß 90 und der Fünfjahresplan

Großes Bild: Spannendes Spiel - am 1. Spieltag empfängt Titelfavorit Blau-Weiß 90 den Berliner SC - hier eine Szene aus der vergangenen Saison vom BSC-Sportplatz

Der frühere Bundesligist drängt zurück in den überregionalen Fußball – und hat vor der Saison 2017/18 in der Berlin-Liga deshalb personell kräftig aufgerüstet

Die vergangene Saison war noch nicht abgelaufen, da begann man bei der Sportlichen Vereinigung Blau-Weiß 90 gewissermaßen, bereits den Hut für die kommende Spielzeit in den Ring zu werfen. Der Verein aus Mariendorf mit einem Jahr Bundesliga in seiner Historie (1986/87) war gerade erst in die sechstklassige Berlin-Liga aufgestiegen, die höherklassigen Ambitionen aber schon länger hinterlegt.

Das Ganze trägt den Titel „Blau-Weiß 90 is back“ und beginnt im Jahr 2015 – nach dem Konkurs 1992 und Löschung aus dem Vereinsregister vier Jahre später war der Traditionsname zur Spielzeit 2015/16 wieder frei. Es gelang der Aufstieg aus der Landesliga. Mit der Rückbenennung wollte man an die Tradition anknüpfen und dadurch auch Sponsoren und Spieler für sich gewinnen. Binnen fünf Jahren will man in der Regionalliga Nordost ankommen - spätestens.

Die Mariendorfer verpflichten 11 namhafte Spieler

Mit ihm ging es los: Lukas Rehbein

Im Mai 2017 also, gegen Ende des ersten Jahrs in der Berlin-Liga, verkündeten die Verantwortlichen dann schon mal zwei bemerkenswerte Wechsel. Mit Robin Mannsfeld und Lukas Rehbein verpflichteten die Blau-Weißen zwei Stammspieler des Oberligisten Tennis Borussia für die Saison 2017/18.

Doch das sollte nur der Anfang sein: binnen eines Monats gaben die Mariendorfer neun weitere Neuzugänge mit höherklassiger Erfahrung bekannt. Ob Julian Austermann und Pascal Matthias (VSG Altglienicke), Jeffrey Gleisinger (BFC Dynamo), Michael Hinz (1. FC Neukölln, früher mal 3. Liga u. a. bei Union), Tim Lensinger (FC Viktoria 89), Tobias Francisco und Kiyan Soltanpour (FSV Luckenwalde) oder Kevin Giese und Kevin Gutsche (Tennis Borussia) – gleich eine komplette Elf mit Stammplatzanspruch wurde verpflichtet. Um den nötigen Platz zu schaffen, verabschiedete man sich vom halben Kader der Vorsaison.

Gehalten wurden Routiniers wie Bruckmann, Hendschke, Kuche, Steinert oder Torwart Pruschke, die alle mal das Trikot von TeBe trugen. Und natürlich Rani Al-Kassem, der mit seinen inzwischen 37 Jahren den Altersdurchschnitt im Kader deutlich anhebt. Doch der 1,90m große Stürmer ist eine Identifikationsfigur an der Rathausstraße, spielt dort (mit einem Jahr Unterbrechung) seit 2010. Dazu hat er das Toreschießen nicht verlernt: 69 Treffer allein in den letzten beiden Spielzeiten verdeutlichen das.

Macher in Mariendorf: Michael Meister

Der Mann hinter dem ganzen Plan in Mariendorf ist Michael Meister, Präsident des Vereins. Der Mittfünfziger dürfte auch als finanzieller Unterstützer von „Blau-Weiß 90 is back“ nicht unmaßgeblich beteiligt sein – ganz genau lässt er sich in dieser Hinsicht nicht in die Karten schauen. Mit einem Augenzwinkern kommentiert er seine Bemerkung zu den Neuverpflichtungen. Nämlich, dass man seinem Verein nun nicht den Vorwurf machen könne, bei der Konkurrenz in der Berlin-Liga gewildert zu haben.

Der Ball liegt unter diesen Voraussetzungen jetzt natürlich beim Trainer – der aber hat aufgrund seiner Laufbahn wohl kaum ein Akzeptanzproblem. Marco Gebhardt hat schließlich mit Eintracht Frankfurt und Energie Cottbus in der Bundesliga gespielt und im Berliner Fußball drei Jahre beim 1. FC Union Spuren hinterlassen. Seine Schützlinge können dabei sicher sein, dass Vorgeschichte bei Gebhardt nichts zählt – beim Ex-Profi wird streng nach Leistung aufgestellt. Man darf gespannt sein, wie die kompromisslose Art im Kader ankommt.

Wer sind die Konkurrenten?

Torgarant: Christoph Zorn

Die Frage nach dem Favoriten für die Saison 2017/18 in der Berliner Meisterschaft und dem damit verbundenen Aufstieg in die Oberliga wäre damit ausführlich beantwortet. Hinter der SP.VG. Blau-Weiß 90 dürfen sich wohl die „üblichen Verdächtigen“ in die Warteliste eintragen: der Vorjahreszweite Eintracht Mahlsdorf und dessen Verfolgertrio, bestehend aus SD Croatia, SV Tasmania und SFC Stern 1900.

Bei den Mahlsdorfern ist der Torjäger Christoph Zorn - gerade zum Berliner Amateurfußballer 2017 gewählt – alleine für eine Platzierung im vorderen Drittel gut. Die 120 Treffer aus den letzten vier Saisons sprechen für sich. Der neue Trainer Christian Gehrke hat dazu bei Germania Schöneiche letztes Jahr Oberligaluft geschnuppert.

Bleibt in der Liga: Erhan Bahceci

Beim SD Croatia konnte man zwei Transfercoups landen: mit Efraim Gakpeto (FC Hertha 03, Oberliga) und Erhan Bahceci (SC Staaken, 16/17 34 Tore) hat die Offensive bei den Tempelhofern nochmal richtig Schub bekommen. Trainer Marco Wilke, der letztes Jahr vom Teamgeist und nun von seinen Neuzugängen schwärmte, musste allerdings auch einen überraschenden Abgang verkraften. Alianni Urgelles Montoya, ehemaliger kubanischer Nationalspieler, verließ den Club offenbar ohne Angabe von Gründen und kehrte zu Schwarz-Weiß Neukölln zurück. Eine Personalie, die reichlich Wellen schlug und das Gefüge bei Croatia beeinflussen könnte.

Der SV Tasmania gehörte in den vergangenen vier Jahren immer zu den Favoriten, verpasste zwischen Platz 2 und 4 aber immer mehr oder weniger knapp den großen Wurf. Dadurch, dass der Nachfolger des legendären Bundesligisten von 1965/66 schon Anfang des Jahrtausends mehrfach knapp Platz 1 verpasste, gilt er inzwischen quasi als „unaufsteigbar“. Der Umbruch, den die Neuköllner vor dieser Spielzeit vollzogen haben, scheint nach den ersten Eindrücken aber keinen gravierenden Leistungsabfall zur Folge zu haben. Ein Platz unter den „Top Five“ ist also allemal drin.

Sehr solide wird seit Jahren beim SFC Stern 1900 gearbeitet. Da man aber auch eine sehr erfolgreiche Jugendarbeit und eine starke Frauenabteilung gleichermaßen berücksichtigt, erwies sich der Kader bei der 1. Herren oft nicht den Schwierigkeiten wie Verletzungspech oder Urlaubsplanung gewachsen. Andreas Thurau löst nun Manuel Cornelius nach vier Jahren auf der Bank ab. Als Spieler war Thurau eher ein „Enfant Terrible“ – er kennt den Verein aber gut und könnte mit seiner ganz anderen Art den erfolgreichen Weg mit Stern weiter beschreiten.

Neu beim Neuling Türkspor 04: Ertan Turan kam von Oberligist TeBe

Zu beachten sein wird auch Aufsteiger Hellas Nordwest, der nach einer Fusion ab sofort unter dem Namen Berlin Türkspor 04 firmiert. Auch im Norden Charlottenburgs verfolgt man mittelfristig ehrgeizige Pläne, zur neuen Saison wurde bereits ein halbes Dutzend Spieler mit Oberligaerfahrung unter Vertrag genommen – weitere Neuzugänge nicht ausgeschlossen.

Dem ehrgeizigen Aufsteiger wie dem ambitionierten Altbundesligisten dürften dabei die kritischen Blicke der Konkurrenz sicher sein. Und für den Fall des Reinfalls - das weiß Michael Meister jetzt schon genau - gilt: „Dann“, sagt der Blau-Weiß-Präsident, „werden wir natürlich zur Lachnummer.“

Beitrag+Fotos: Berlinsport Aktuell/Hagen Nickelé